Nick Cave: Lebe nach Tod von Sohn Arthur im "strahlenden Herzen des Traumas"

Nick Cave
Musiker Nick Cave beantwortet auf seiner Plattform The Red Hand Files seit 2018 Fragen von Fans. Darunter auch sehr persönliche, etwa was er und Ehefrau Susie zehn Jahre nach dem Tod ihres Sohnes gelernt hätten oder ob der Schmerz für immer bleibt.
"Der Schmerz bleibt, aber ich habe festgestellt, dass er sich mit der Zeit weiterentwickelt. Die Trauer blüht mit dem Alter auf, wird weniger zu einer persönlichen Kränkung, weniger zu einem kosmischen Verrat und mehr zu einer poetischen Qualität des Seins, wenn wir lernen, uns ihr hinzugeben", schreibt der 67-Jährige. "Wenn wir mit der unerträglichen Ungerechtigkeit des Todes konfrontiert werden, stellt sich das, was unerträglich zu sein scheint, letztendlich als gar nicht unerträglich heraus. Der Kummer wird reicher, tiefer und strukturierter. Es fühlt sich interessanter, kreativer und schöner an."
Caves Sohn Arthur war im Jahr 2015 im Alter von 15 Jahren tödlich verunglückt. Im Jahr 2022 gab Cave auch den Tod seines Sohnes Jethro bekannt.
"Mir wurde bewusst, dass wir alle sterben werden"
Cave kommentiert weiter: "Zu meiner großen Überraschung habe ich bemerkt, dass ich eine sehr menschliche Erfahrung machte. Ich begann, den unermesslichen Wert und das Potenzial unseres Menschseins zu erkennen, während ich gleichzeitig in meinem Innersten unsere erschreckend gefährliche Situation anerkennen musste. Mir wurde bewusst, dass wir alle sterben werden. Ich erkannte, dass zwar jeder von uns etwas Besonderes und Einzigartiges ist, unser Schmerz und unsere Gebrochenheit jedoch nicht. Mit der Zeit lernten Susie und ich zu verstehen, dass die Welt nicht gleichgültig oder grausam ist, sondern kostbar und liebevoll - ja sogar liebenswert - und immer zum Guten hin tendiert."
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Die Telefonseelsorge ist unter der kostenlosen Telefonnummer 142 rund um die Uhr als vertraulicher Notrufdienst jeden Tag des Jahres erreichbar.
Heutzutage sei er "der Welt gegenüber weder misstrauisch noch argwöhnisch, auch wenn sie mir das Herz bricht, und ich bin nicht verzweifelt, deprimiert oder verbittert. In der Tat sehe ich Herzschmerz als die angemessenste Antwort auf den Zustand der Welt - zu sagen, ich liebe dich, heißt zu sagen, mein Herz bricht für dich, und dieses Gefühl schwingt in allen Dingen mit und bringt Klarheit sowohl in die Welt vor uns als auch in die Welt hinter dem Schleier. Der Kummer wird zu einer Lebensform, in der zum Teil gelacht, zum Teil geweint wird. Dazwischen gib es sehr wenig Raum". Ehefrau Susie habe ihm bestätigt, dass es mit der Zeit leichter wird.
Er sei sich nicht sicher, was er in der Zeit sonst noch gelernt habe, so Cave. "Außer dass wir ein Jahrzehnt später immer noch hier sind, und im strahlenden Herzen des Traumas leben, dem Ort, an dem alle Gedanken und Träume zusammenlaufen und wo alle Hoffnung und alles Leid wohnen, im hellen und tränenreichen Auge des Sturms (...)."
"Man ist fundamental verändert"
Cave hatte auch im vergangenen Jahr mit der britischen Zeitung The Guardian darüber gesprochen, wie ihn der Tod zwei seiner Söhne verändert hat. Er glaube nicht, dass man eine solche Erfahrung hinter sich lassen und damit abschließen könne, sagte er damals. Wenn jemand sage, man solle sich ein paar Jahre geben und dann werde das Leben wieder, wie es gewesen sei: "Das passiert nicht. Man ist fundamental verändert." Man sei ein anderer Mensch und gleichzeitig fühle sich die Welt bedeutungsvoller an.
Nach dem Tod von Arthur seien sie nach Los Angeles gezogen, um Abstand zu gewinnen. Er habe damals viel Güte von anderen Menschen erlebt, sagte der Frontmann der Band Nick Cave and the Bad Seeds 2024 im Guardian-Gespräch. "Ich bekam einen Brief nach dem anderen, adressiert an: 'Nick Cave, Brighton'", so der australische Künstler. Das sei außergewöhnlich gewesen und diese Aufmerksamkeit, diese Gemeinschaft sei für ihn hilfreich gewesen.
In dem Interview hatte er auch über Schuldgefühle und seine Wertschätzung für das Leben gesprochen. In der Vergangenheit habe er es auch als Akt des Trotzes betrachtet, wieder glücklich zu werden. Dem Guardian zufolge ist das für ihn heute nicht mehr die richtige Wortwahl. "Das klingt ein bisschen zu heroisch", wurde Cave zitiert. Dass er sich über sein Leben freuen könne, sei das, was seine Kinder gewollt hätten. "Ich glaube, es ist eine weichere Beziehung, die wir heute zur Welt haben."
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