Claudia Reiterer über ORF-Aus: "10 Tage war ich schwer gekränkt"

Im März wurde bekannt, dass Journalistin Claudia Reiterer (57), die zuletzt acht Jahre lang die Sendung "Im Zentrum" moderierte, den ORF verlässt. In der Aussendung hieß es damals, dass sie den Sender "auf eigenen Wunsch" verlässt, um sich "neuen Aufgaben in der Medienbranche" zu widmen.
Ganz so reibungslos verlief ihr Abgang aber nicht, wie Reiterer jetzt im Interview mit der Presse aufhorchen lässt.
"Ich wäre gern geblieben. Es hat ein Angebot gegeben, woandershin. Aber es hat geheißen, ich muss vom Bildschirm und von der politischen Berichterstattung weg. Das mit dem Bildschirm kann eine Geschäftsführung machen, aber die politische Berichterstattung war immer meins."
Sie habe dann noch versucht, herauszufinden, woher das komme. "Ich habe – auch schriftlich – die Frage nach dem Grund gestellt: Ist es das Aussehen? Das Alter? Die Leistung? Oder gibt es politische Wünsche? Natürlich kann es nur um die Leistung gehen – weil die anderen drei Sachen gehen theoretisch nicht. Mir wurde vom Chefredakteur gesagt, sie müssen keinen Grund nennen."
Das gab für Reiterer dann den Ausschlag, sich nicht wieder versetzen zu lassen, sondern zu gehen.
"Am 24. April habe ich alles abgegeben. Diensthandy, Laptop, alles. Drei Tage später habe ich mir einen Traum erfüllt, bin nach Sri Lanka geflogen und habe Ayurveda gemacht. Und ich war so circa zehn Tage schon noch schwer gekränkt. Dann habe ich einen unfassbaren kreativen Output gehabt und so viel geschrieben wie noch nie. Über 140 Seiten, an zwei Sachen: einer Keynote und einem Sachbuch über Macht und Kommunikation. Ich weiß nicht, was ich davon verwenden kann, aber es hat mir so Spaß gemacht. Ich habe eine Befreiung gespürt, von der Seele weg."
Reiterer: War "für die Zuschauer nicht ansehnlich genug"
Denn Freiheit hatte Reiterer in den vergangenen Wochen nicht, wie sie jetzt offenlegt: "Das Arbeitspensum war für alle nicht zu stemmen. Das hinterlässt Spuren. Wir hatten bis zu 32 Absagen pro Woche. An manchen Tagen habe ich 50 Telefonate geführt. Es war so anstrengend. Am Wochenende habe ich gestrebert wie wild, bis ich das Thema intus hatte."
Freie Tage waren schlicht und ergreifend nicht existent. Am Montag hatte ich offiziell ,frei', aber es hat immer Aufregung wegen der Sendung gegeben. Im sendungsfreien Sommer habe ich Energie für das nächste Jahr getankt.
Den Kampf mit Widerständen kennt Claudia Reiterer schon von ihrer jahrzehntelangen Arbeit für den ORF. "Bis ich meinen Sohn (Julian kam 2004 zur Welt) bekommen habe, hatte ich mehr das Gefühl von Gleichberechtigung. Aber ab dem Zeitpunkt war es aus. Mein damaliger Vorgesetzter hat gesagt: Sie kommen hoffentlich eh nur in Teilzeit zurück, weil sie müssen ja auf ihr Kind schauen. Habe ich natürlich nicht gemacht, weil ich wusste, dass ich meinen Job verlieren würde. Den habe ich trotzdem verloren. Bevor ich in Karenz gegangen bin, habe ich den ,Report' moderiert. Danach habe ich einmal eine ,Pressestunde' gemacht, und mir wurde ausgerichtet, dass ich zu viel zugenommen hätte, dass ich für die Zuschauer nicht ansehnlich genug sei. Und ich wurde abgesetzt."
Doch das wollte sie sich nicht gefallen lassen. "Ich bin zur Gleichbehandlungsanwaltschaft gegangen, und danach habe ich dann das ,Hohe Haus' moderieren dürfen. Ich habe mich gewehrt."
Was sie jetzt weitermachen wird, hat sie noch nicht verraten - nur so viel: "Ich möchte mir meine Zukunft offen halten".
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