Stefan Kraft: Siegchance 5 von 5 Punkte
Alle wissen, dass die Tournee eigene Gesetze hat. Und natürlich fängt es in Oberstdorf bei null an. Trotzdem wird sich der Salzburger schwer tun, die Favoritenrolle jemand anderem in die Schuhe zu schieben. Wer fünf von acht Saisonspringen gewinnt, wer mit Riesenvorsprung den Weltcup anführt (222 Punkte), wer obendrein ein Muster an Konstanz ist (Kraft war in 16 der letzten 18 Bewerbe auf dem Podium), der ist der Springer, den es zu schlagen gilt. Zumal sich der 30-Jährige dieser Tage auch noch locker und leicht präsentiert wie selten zuvor.
Ob es etwas gibt, das vielleicht doch gegen Kraft spricht? Am ehesten noch seine Aversion zum neuen Bakken in Garmisch-Partenkirchen: 31, 49, 13, 18 – bei den letzten vier Neujahrsspringen hatte der Überflieger regelmäßig Federn gelassen.
Andreas Wellinger: Siegchance 4,5 von 5 Punkte
Der zweifache Olympiasieger steht stellvertretend für eine deutsche Mannschaft im Aufwind, die auch knapp vor Österreich den Nationencup anführt. Auch wenn Teamkollege Karl Geiger zwei Saisonspringen gewonnen hat, so präsentierte sich Wellinger bisher als stabilster deutscher Adler, was nicht zuletzt vier Podestplätze belegen. Und Konstanz ist bekanntlich eine der wichtigsten Attribute bei der Vierschanzentournee.
Neben Wellinger und Geiger nährt auch noch Teamkollege Pius Paschke die Hoffnung auf den ersten deutschen Tourneesieg seit Sven Hannawald (2001/’02). Paschke feierte zuletzt in Engelberg mit 33 Jahren seinen ersten Weltcupsieg.
Was für die Deutschen spricht: Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren steht nicht nur ein Springer im Fokus, sondern es gibt mehrere heiße Eisen. Zugleich sind die Euphorie und die Erwartungshaltung im Land dermaßen hoch, dass der Druck fast ins Unermessliche steigt.
Ryoyu Kobayashi: Siegchance 4 von 5 Punkte
Der Japaner ist ein ausgewiesener Tourneespezialist und die Schanzen von Oberstdorf bis Bischofshofen sind sein Refugium. Bei seinen bisherigen zwei Tourneesiegen schwebte Kobayashi in anderen Sphären: In der Saison 2018/’19 gewann er alle vier Bewerbe, 2021/’22 hätte der schweigsame Japaner dieses Kunststück fast wiederholt. Mit acht Tagessiegen ist der 27-Jährige obendrein der erfolgreichste Tourneespringer der Gegenwart.
Jan Hörl: Siegchance 3 von 5 Punkte
Österreichs Cheftrainer Andreas Widhölzl nennt den Salzburger einen „Geheimfavoriten“. Und das ist angesichts der Leistungen in diesem Winter nicht zu hochgegriffen. Jan Hörl war heuer ein Stammgast auf dem Stockerl und liegt nicht von ungefähr im Gesamtweltcup an der fünften Stelle.
Der Vorteil des 25-Jährigen: Er kann im Windschatten von Dominator Stefan Kraft springen und steht bei der Tournee deshalb nicht so im Fokus wie sein Teamkollege. Im Gegensatz zu Kraft hat der Salzburger auch mit der Garmischer Schanze keine Berührungsängste: In den vergangenen beiden Jahren war er jeweils mit einem fünften Platz in das neue Jahr gestartet.
Anze Lanisek: Siegchance 3 von 5 Punkte
Der Slowene war in dieser Saison zwar noch nicht in den Top drei zu finden, seine Formkurve zeigt aber steil nach oben: So gewann Anze Lanisek zuletzt in Engelberg zweimal die Qualifikation. Wittert der 27-jährige Ästhet, der für seine hohen Haltungsnoten bekannt ist, einmal Morgenluft, dann ist er ein ernst zu nehmender Kandidat für den Tourneesieg.
Halvor Egner Granerud: Siegchance 2,5 von 5 Punkte
Der Titelverteidiger hielt sich in diesem Weltcupwinter – wie alle norwegischen Skispringer – noch zurück und tauchte im Klassement nur einmal in den Top Ten auf. Bei Granerud kann es aber bekanntlich schnell gehen. Auch vor einem Jahr war der 27-Jährige nicht als Topfavorit zur Tournee gereist, um dann die Bewerbe in Oberstdorf, Garmisch und Bischofshofen zu gewinnen.
Gregor Deschwanden: Siegchance 1 von 5 Punkte
7, 2, 8, 6 – das sind die bemerkenswerten Ergebnisse des Schweizers, der sich mit 32 Jahren in der Form seines Lebens befindet. Schon im Sommer hatte Deschwanden mit Seriensiegen aufgezeigt, diesen Rückenwind hat der baumlange Schweizer in den Winter mitgenommen. Und er wäre nicht der erste Springer, der bei der Tournee richtig durchstartet: Wer erinnert sich nicht an Thomas Diethart, der 2013/’14 als krasser Außenseiter die Tournee gewann?
Kamil Stoch: Siegchance 0,5 von 5 Punkte
Wer wie der Pole bereits dreimal beim Schanzenklassiker die Lufthoheit hatte, hat es sich verdient, in der Riege der Mitfavoriten und Außenseiter aufzuscheinen. Auch wenn im Moment wenig bis gar nichts auf einen vierten Sieg des polnischen Routiniers hindeutet. Kamil Stoch kann als bestes Saisonergebnis gerade einmal einen 21. Platz vorweisen. Überhaupt präsentiert sich das gesamte polnische Skisprungteam bisher sehr flügellahm. Im Weltcup scheint der beste Athlet aus der Mannschaft des Tiroler Cheftrainers Thomas Thurnbichler erst an 22. Stelle (Piotr Zyla) auf.
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