ÖSV-Ass über China: "Bin froh, dass ich da nicht hin muss"

ÖSV-Skifahrer Vincent Kriechmayr
Auch vor den Rennen in Garmisch-Partenkirchen gibt es im Weltcup nur ein Thema. Der Pistenbauer rechtfertigt sich.

Im Zielstadion der Kandaharabfahrt wurden Donnerstagmittag dann gottlob Bratwürste und Kartoffelsuppe serviert und keine Acht Schätze oder Ameisen am Baum. Sonst hätten einige wirklich noch auf die Idee kommen können, dass Garmisch-Partenkirchen neuerdings im Reich der Mitte liegt. Omnipräsent wie China und die Olympischen Winterspiele 2022 in Peking am Fuße des Kreuzecks waren. Dem Coronavirus sei Dank.

Die Absage der ersten Abfahrtstrainings trotz Postkartenidylle – die Piste war nach den Schneefällen zu weich – war jedenfalls weit weniger Gesprächsthema als die gestrichenen Speedrennen in Yanqing. Die Entwicklungen der letzten Woche haben der FIS auch gar keine andere Wahl gelassen, als die Jungfernfahrt über die Olympiapiste von 2022 abzublasen.

Man wird keinen Läufer finden, der über die Absage der Rennen in China unglücklich wäre. „Ich bin froh, dass ich da nicht hin muss“, gibt Vincent Kriechmayr ehrlich zu, „stell’ dir vor, du bist in China und darfst dann auf einmal nicht mehr ausreisen“, ergänzt sein ÖSV-Teamkollege Max Franz.

Somit könnte nun tatsächlich der seltene Fall eintreten, dass die Abfahrer erst direkt bei den Winterspielen Kontakt mit der Olympiapiste aufnehmen dürfen. In der kommenden Saison sind in China nur Weltcupbewerbe der Damen geplant, die FIS hat zwar angekündigt, auch die Herren noch einmal nach Yanqing schicken zu wollen, ob der in groben Zügen schon längst durchgeplante Terminkalender 2020/’21 im WM-Winter (Cortina) den Ferntrip nach Asien erlaubt, ist freilich eine andere Frage.

„Grundsätzlich wäre es kein Problem, wenn wir erst bei Olympia das erste Mal fahren“, erklärt Kriechmayr und verweist auf Matthias Mayer. „Der war 2016 im Weltcup auch nicht in Korea mit dabei und dann hat er 2018 Gold im Super-G geholt.“So pragmatisch klingt der Rennläufer.

Der Vater der Olympiapisten sieht das naturgemäß anders. Bernhard Russi zeichnet auch in China wieder für die Abfahrtsstrecke verantwortlich und dem erfahrenen Schweizer Pistenbauer ist es ein großes Anliegen, dass der Hang vor den Spielen einmal von den Profis im Renntempo befahren wird. Zwischen Planungstheorie und Rennpraxis kann dann doch oft ein enormer Unterschied sein. „Die ersten Fahrten sind für mich immer ein Aha-Erlebnis“, erklärt die Schweizer Ski-Legende.

Alle glauben, die Chinesen hätten keine Berge. Das stimmt nicht. Das wird eine hochattraktive, anspruchsvolle Strecke.“

von Bernhard Russi, Pistenarchitekt

Russi („ich will den Berg nicht vergewaltigen“) prophezeit jedenfalls eine Olympiaabfahrt, die für Läufer wie Fans gleichermaßen „Überraschungen“ parat haben wird. „Alle glauben, die Chinesen hätten keine Berge. Das stimmt nicht. Das wird eine hochattraktive, anspruchsvolle Strecke.“ Eine Piste, an der sich die Geister scheiden werden. So hofft es jedenfalls Russi. Denn: „Wenn mir alle auf die Schultern klopfen, stimmt was nicht. Dann liegt irgendwo der Hund begraben.“

Die Olympiastrecke von Rosa Chutor (RUS) ist übrigens ebenfalls made by Russi. Aus heutiger Sicht gleicht es einem Wunder, dass 2014 alle Bewerbe durchgeführt werden konnten. Nun musste auch das zweite Abfahrtstraining der Damen in Rosa Chutor abgesagt werden. Seit 2014 reisten die Läuferinnen schon mehrmals nach Russland. Ein Rennen gab’s dort seither aber noch nie.

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