Marcel Hirscher: "Oh, das dauert noch"

Marcel Hirscher nimmt den Rummel um seine Person am Medientag gelassen hin.
Der Rekord-Weltcupgewinner war auf Schnee, doch sein linker Knöchel braucht noch Zeit.

So schön kann der Herbst sein: "Ich war am Mittwochmorgen der Erste auf der Piste, das Wetter war traumhaft schön, alles war brettleben, ein leichter Pulverschnee zuoberst, kein Buckel, nichts. So schön kann Skifahren sein", berichtete Marcel Hirscher nach seinem ersten Wiedersehen mit jenem Material, das die Grundlage seiner Arbeit und seiner Erfolge ist. Das Kitzsteinhorn zeigte sich von seiner besten Seite, und der Erste am Berg hatte einen Riesenspaß.

"Und dann denkst du an Sölden, an den Steilhang, bam, bam, bam", der 28-Jährige klatscht in die Hände, und sein Blick verrät, was Hirscher ohnehin schon geahnt hatte: Ein Start beim ersten Weltcup-Riesenslalom der Olympia-Saison ist eine Illusion, ein Start im Slalom von Levi zwar nach wie vor Teil seiner Gedankenwelt. Doch der Realist aus Annaberg weiß: Dafür wird es wohl ein Wunder brauchen.

"Mir fehlen Zehntausende Tore", Schneetraining war bislang nicht möglich, weil sich der Doppelweltmeister von St. Moritz einen Sommer in Europa gönnte – und sich bekanntlich Mitte August am Ende seines ersten Tages auf dem Schnee des Mölltaler Gletschers den linken Außenknöchel gebrochen hat. Seit vier Wochen ist er den Gips los, und, immerhin, "im Skischuh geht es mir eigentlich besser als barfuß". Das ist ja auch schon einmal etwas. Und: "Ich hab’ gar nicht gewusst, dass mir Skifahren so am Herzen liegt."

TV-Lehrgang

Sölden wird er definitiv auslassen – auch als Werbeträger und Zuschauer. "Der ganze Trubel, das Tohuwabohu, da bin ich eigentlich nicht so scharf drauf", gesteht Hirscher, der sich zwar das Rennen im Fernsehen anschauen will ("Da kann ich etwas lernen"), ansonsten aber weiter an seiner Rückkehr arbeitet. "Am Mittwoch habe ich mir gedacht, der Knöchel ist okay. Heute denke ich mir: Okay, das dauert noch."

Marcel Hirscher: "Oh, das dauert noch"
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Grund für dieses "Up and down" (Hirscher) ist gar nicht einmal so sehr der lädierte Knochen, sondern es sind die Gewebeverletzungen drumherum. "Die waren schwerer als bei all meinen anderen Verletzungen", sagt Hirscher, "ich hatte da ein ziemliches Hämatom."

Und so verbringt der Salzburger nach wie vor ziemlich viel Zeit mit Therapie und Fitnesstraining. Oder anders formuliert: "Juchee, ich darf wieder skifahren – aber ich bin weit entfernt von dem, wo ich hin will."

Und dann ist da ja auch noch die große Unbekannte: Der neue Riesenslalom-Ski, der statt bisher 35 nun wieder 30 Meter Radius aufweist. Marcel Hirscher kennt ihn nicht, er kennt nur die Berichte seiner Kollegen. Manche sind nicht wirklich begeistert und sehen wieder mehr Risiko für Knieverletzungen, andere wie Team- und Markenkollege Manuel Feller sind begeistert.

Der Tiroler Vizeweltmeister im Slalom von St. Moritz, der sich jahrelang mit Bandscheibenproblemen geplagt hatte, sagt an diesem sonnigen Oktobernachmittag beim Atomic-Medientag in Altenmarkt: "Du stehst am Morgen nach einem Trainingstag wieder ganz anders auf. Und beim Fahren bist du jetzt wieder mehr Chef, es gibt viel weniger Extremsituationen, in denen du nur noch Passagier bist."

Nur die Ruhe

Marcel Hirscher ist vorerst jedenfalls noch der Passagier seines Knöchels. Und er hört auf ihn, Schmerzmittel sind und bleiben tabu, die Gesundheit und ein klarer Kopf haben absoluten Vorrang. Die Tugend dieser Wochen lautet Geduld: "Ich muss das Gelenk erst wieder an die Belastungen gewöhnen."

"Sehnenentzündungskäse" sagt Daniela Iraschko-Stolz. Und so wie sie die letzten vier Buchstaben betont, weiß man gleich, wie sehr die Skisprung-Weltmeisterin von 2013 die aktuelle Situation nervt. Einem Energiebündel wie Iraschko-Stolz kann nichts Schlimmeres passieren, als zur Untätigkeit gezwungen zu sein und am Boden bleiben zu müssen. "In Oslo bin ich das letzte Mal gesprungen", erzählt die Eisenerzerin. Das war im März.

Marcel Hirscher: "Oh, das dauert noch"
ABD0030_20170204 - HINZENBACH - ÖSTERREICH: Daniela Iraschko-Stolz (AUT) während des Probedurchganges des Skisprung-Weltcups der Damen in Hinzenbach am Samstag, 4. Februar 2017. - FOTO: APA/EXPA/REINHARD EISENBAUER
Es ist das Knie, das Iraschko-Stolz nun seit Monaten in die Knie zwingt. Während ihre Konkurrentinnen längst schon auf der Schanze trainieren und das Material für den Olympia-Winter abstimmen, absolviert die bald 34-Jährige die mühsamen Therapieeinheiten. "Es nervt total. Mir fehlt etwas im Leben, das mich glücklich macht", gestand Iraschko-Stolz bereits vor Wochen im KURIER-Interview.

Beim ÖSV geben sie der Weltcup-Gesamtsiegerin von 2014/’15 alle Zeit der Welt. "Wir hoffen, dass es sich bis Anfang der Saison ausgeht", sagt Direktor Ernst Vettori. Doch das hört sich sehr nach Zweckoptimismus an.

Zumal Daniela Iraschko-Stolz schon seit Jahren mit Knieproblemen zu kämpfen hat."Ich habe in der Vergangenheit oft Schmerzen ignoriert", erklärt die Wahl-Tirolerin, die schon eine Strategie fürs Comeback hat. "Ich werde es in dieser Saison sehr intelligent angehen müssen. Damit ich ja nicht Gefahr laufe, dass ich zu viel mache."

Alles für Olympia

Die beste Skispringerin des Landes ist nicht die einzige prominente Athletin, deren Vorbereitung auf den Olympia-Winter nicht wunschgemäß verläuft. Im Alpinlager kämpfen aktuell Anna Veith (nach einer Knie-OP) und Eva-Maria Brem (nach einem Unterschenkelbruch) um die Rückkehr in den Weltcup. Den Saisonauftakt in Sölden (28.Oktober) werden beide verpassen, im Idealfall können Brem und Veith bei den Überseerennen wieder an den Start gehen. "Es ist wichtig, sich nicht nach dem Kalender zu orientieren, sondern nach der Gesundheit", betont Veith, "für Olympia reicht es, wenn man im Jänner topfit ist".

Marcel Hirscher: "Oh, das dauert noch"
ABD0179_20170216 - HOCHFILZEN - ÖSTERREICH: Dominik Landertinger (AUT) im Herren-Einzel Bewerb über 20 km im Rahmen der Biathlon WM am Donnerstag, 16. Februar 2017, in Hochfilzen. - FOTO: APA/BARBARA GINDL
Auch Dominik Landertinger will wegen Olympia kein unnötiges Risiko eingehen. Dafür verzichtet der Biathlet sogar auf den Weltcup in seiner Heimatgemeinde Hochfilzen (8. bis 10. Dezember). Landertinger ist vor drei Wochen an der Bandscheibe operiert worden und kann frühestens Ende November wieder mit dem Langlauf-Training beginnen. "Aus jetziger Sicht werde ich im Dezember keine Rennen laufen, Der gesamte Formaufbau ist auf die Olympischen Spiele in Pyeongchang ausgerichtet", sagt der 29-Jährige.

(Christoph Geiler)

Los geht’s am 28. und 29. Oktober in Sölden mit den Riesenslaloms für Damen und Herren. Deutlich aufgewertet wurde heuer das Programm in Bormio, das nach zwei Jahren Pause wieder die klassische Herren-Abfahrt ausrichtet, und zwar doppelt (28. und 29. 12.), am 30. 12. folgt eine Kombi.

Die Damen kommen nach Lienz (28./29. 12.), Flachau (9.1.) und Bad Kleinkirchheim (13./14. 1.), die Herren nach Kitzbühel (19.– 21.1.) und Schladming (23. 1.).

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