Kronzeuge im Visier: Dürr im Doping-Skandal verhaftet
Der Doping-Sünder dürfte offenbar eine zentrale Rolle in der aktuellen Doping-Affäre spielen.
05.03.19, 15:33
Knalleffekt im Doping-Skandal rund um die beiden LangläuferMax Hauke und Dominik Baldauf: Der vermeintliche "Saubermann" und "Aufdecker" Johannes Dürr - bei den Olympischen Spielen in Sotschi 2014 selbst als Sportbetrüger entlarvt - wurde heute Mittag in Innsbruck verhaftet. Das bestätigte sein deutscher Anwalt Michael Lehner am Nachmittag gegenüber der dpa.
Nächste Bombe im Dopingskandal
Die Staatsanwaltschaft wollte die Identität des Festgenommenen zuvor nicht preisgeben, dessen Umschreibung in der Presseaussendung deutete aber klar auf Dürr hin. "Im Zuge der Doping-Ermittlungen hat sich nun auch ein Verdacht gegen einen weiteren Langläufer ergeben, der zuvor selbst aufgrund seiner Angaben die Ermittlungen in Deutschland gegen den Sportmediziner aus Erfurt in Gang gebracht hat", heißt es darin. Die Vernehmung und weitere Ermittlungen seien im Laufen, binnen 48 Stunden habe die Staatsanwaltschaft zu entscheiden, ob der Mann wieder zu enthaften ist oder ob bei Gericht die Verhängung der Untersuchungshaft beantragt wird.
Der ehemalige Weltklasse-Langläufer dürfte offenbar eine zentrale Rolle in der aktuellen Dopingaffäre spielen. "Ermittelt wird wegen des Verdachts des Sportbetrugs und wegen Verstößen gegen das Anti-Doping-Gesetz. Zudem soll sich Dürr in den vergangenen Wochen auch nicht gerade durch eine besondere Kooperationsbereitschaft ausgezeichnet haben", heißt es in einem Krone-Bericht.
Hauke und Baldauf sollen laut Krone im Zuge ihrer Einvernahmen zu Protokoll gegeben haben, dass Dürr ihnen 2016 "Tür und Tor zum deutschen Arzt in Erfurt" geöffnet habe. Indes bereitet ÖSV-Langlauf- und Biathlon-Chef Markus Gandler eine Klage gegen Dürr vor. Dieser hatte in einer ARD-Dokumentation angegeben, dass er auch von Personal des ÖSV bei unerlaubten Praktiken unterstützt worden sei.
Dürr war laut Staatsanwaltschaft München Auslöser für die Doping-Ermittlungen und die Razzien in Seefeld und Erfurt. Der Langläufer, der bei Olympia 2014 positiv auf EPO getestet und danach gesperrt worden war, hatte jüngst in einer ARD-Dokumentation umfassend über Dopingpraktiken im Leistungssport ausgepackt. Am späten Dienstagvormittag wurde er laut einem Bericht der Tageszeitung Österreichan seinem Arbeitsplatz in Innsbruck - Dürr ist Zollbeamter - festgenommen.
Zuletzt war Dürr ins Schussfeld des Österreichischen Skiverbandes (ÖSV) geraten. Dessen Präsident Peter Schröcksnadel erklärte in einem ORF-Interview, er wisse aus gesicherter Quelle, dass Dürr die des Dopings verdächtigen ÖSV-Langläufer Hauke und Baldauf zum hauptverdächtigen deutschen Sportmediziner vermittelt habe.
Dürr-Freund Martin Prinz über die Dopingaffäre
Keine Selbstzelebrierung
Den Vorwurf, dass er sich durch seine Auftritte als Opfer zelebriert, wies Dürr im deutschen TV zurück. "Ich bin ganz klar Täter natürlich, ich bin in einem System genauso zum Täter geworden, das leider einfach sehr, sehr viele Täter generiert, weil einfach niemand darüber redet, weil man es totschweigt. Die ganze Zeit wird es totgeschwiegen, der Deckel drauf", sagte Dürr nach Beginn der Nordischen WM in Seefeld und noch vor den Doping-Razzien.
Nun werden Stimmen lauter, die behaupten, Dürr sei "ein Drahtzieher" (Krone) hinter dem Betrug gewesen.
Die Dopingaffäre in Seefeld, rund um die beiden Leichtathleten Max Hauke und Dominik Baldauf, ist nur der aktuellste derartige Vorfall in Österreich. In den letzten Jahren und Jahrzehnten gab es regelmäßig Sportlerinnen und Sportler, die erwischt und/oder gesperrt wurden. Ein (nicht vollständige) Rückblick:
Die österreichische Sprint-Staffel mit Andreas Berger, Franz Ratzenberger, Thomas Renner und Gernot Kellermayr wird kollektiv des Anabolika-Dopings mit Metandienon überführt. Berger, Hallen-Europameister von 1989 über 60 m, gibt im TV im Namen seiner Kollegen Doping zu und beendet seine Karriere.
In einem von ÖSV-Langläufern genutzten Privathaus während der Olympischen Spiele in Salt Lake City werden Geräte zur Durchführung von Bluttransfusionen gefunden. ÖSV-Sportdirektor Walter Mayer wird bis 2010 von Olympia ausgeschlossen.
Ski-Ass Hans Knauß liefert im Anschluss an die Weltcup-Abfahrt in Lake Louise eine positive Dopingprobe mit leicht erhöhtem Nandrolon-Wert, den er auf ein verunreinigtes Nahrungsergänzungsmittel zurückführt. Der Steirer wird vom Internationalen Skiverband (FIS) für 18 Monate gesperrt.
Hürdensprinter und Ex-FPÖ-Politiker Elmar Lichtenegger stolpert zum zweiten Mal über eine Dopingkontrolle. Dem Kärntner wird bei einer Kontrolle am 22. November - so wie schon 2003 - die verbotene Substanz Nandrolon nachgewiesen. Er wird lebenslang gesperrt.
Langstreckenläuferin Susanne Pumper wird als Doping-Wiederholungstäterin (ihr wurde bereits 2008 EPO nachgewiesen) wegen Erwerbs einer verbotenen Substanz für acht Jahre gesperrt.
Beim Skilangläufer Johannes Dürr wird bei einer Trainingskontrolle in Österreich vor dem olympischen 50-km-Rennen EPO nachgewiesen. Er ist geständig und wird nicht nur aus dem ÖOC-Team, sondern auch aus dem ÖSV ausgeschlossen.
Und nun das: Im Zuge einer Doping-Razzia während der Nordischen Ski-WM in Seefeld hat es insgesamt neun Festnahmen sowie Hausdurchsuchungen gegeben. Unter den des Dopings verdächtigten Sportlern sind auch die ÖSV-Langläufer Baldauf und Hauke.
Der Blutdoping-Skandal erreichte am Schlusstag der WM in Seefeld auch "offiziell" den Radsport erreicht. Der Tiroler Stefan Denifl wurde im Zuge der seit längerer Zeit gegen ihn laufenden Ermittlungen festgenommen und legte in Einvernahmen ein Dopinggeständnis ab.
Nur einen Tag nach Denifl gestand mit Georg Preidler ein weiterer Rad-Profi Blutdoping. Der Grazer zeigte sich selbst an. Die unabhängige Anti-Doping Rechtskommission (ÖADR) leitete auf Antrag der NADA ein Disziplinarverfahren gegen Denifl und Preidler ein. Die vorläufige Suspendierung des Duos gelte bis zum Abschluss des Verfahrens, gab die ÖADR in einer Aussendung bekannt.
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