„Ich habe dann bei meiner ersten Fahrt nach dem Start so gebremst, dass ich kaum noch über die Mausefalle drüber gekommen bin.“
Andreas Ploier blieb das alte Abfahrer-Ritual vor seiner Jungfernfahrt am Dienstag erspart. Niemand hatte Interesse daran, den 25-Jährigen in Angst und Schrecken zu versetzen. Nach dem Rücktritt von Matthias Mayer und den vielen Verletzten (Franz, Walder, Danklmaier) ist man beim ÖSV heute froh um jeden Abfahrer, der im Weltcup dabei ist.
Und deshalb bekam Andreas Ploier auch keine dummen Ratschläge mit auf den Weg, sondern einen genauen Fahrplan, wie er die berühmteste Abfahrt der Welt meistern sollte. „Ich war so gut eingestellt und habe von meinen Kollegen dermaßen viele Tipps bekommen, dass ich gar nicht richtig aufgeregt war“, erzählt der 25-Jährige.
Muffensausen und Angstschweiß würden aber auch irgendwie nicht zu Ploier passen. Der Speedspezialist aus Strass im Attergau wirkt dermaßen abgeklärt, dass ihn nur schwer etwas aus der Balance bringen kann. „Richtig nervös bin ich nur dann, wenn ich eine Qualifikation fahren muss und es um einen Startplatz für ein Rennen geht“, sagt Ploier.
Bilder im Kopf
Natürlich kennt auch er die Bilder von all den Stürzen, die auf der Streif passiert sind. Welcher Abfahrer kennt sie nicht? Auch das begründet diesen Mythos Streif, dass die Stürze den Menschen fast mehr in Erinnerung geblieben sind als die Sieger. „Ich glaube nicht, dass in Kitzbühel mehr Leute stürzen als anderswo“, sagt Andreas Ploier. „Aber du siehst diese Stürze halt ständig im Fernsehen. Deshalb hat man den Eindruck, dass dort so viel passiert.“
Mit diesem pragmatischen Zugang hat sich der 25-Jährige auch der Streif genähert. Die Mausefalle und Steilhang in allen Ehren, „aber in Bormio ist es genauso steil“, sagt Ploier, der Kitzbühel bisher nur vom Hörensagen kannte. „Ich war noch nicht einmal zum Wandern hier.“
Am Abend vor dem ersten Abfahrtstraining absolvierte der ÖSV-Fahrer gedanklich bereits einige Testläufe über die Streif. Zuvor hatte er sich zigmal die Fahrten von ORF-Kameraläufer Joachim Puchner veranschaulicht. „Damit ich nicht nackt ins Training gehe und weiß, wo ich umgehe“, erzählt der 25-Jährige.
In natura präsentierte sich die Streif dann doch anders als erwartet. „Im Fernsehen sieht alles viel weitläufiger und größer aus, dabei ist es teilweise richtig eng“, berichtet Ploier, der seinen ersten Streifzug mit dreieinhalb Sekunden Rückstand auf dem 48. Platz beendete.
Einmal in Kitzbühel runterrasen – das sei der Ritterschlag für jeden Abfahrer, sagt Andreas Ploier. „Auf der Streif zu starten, ist das absolut Größte, was es gibt. Mehr geht für mich nicht.“ Ob er sich nach diesem Erlebnis als echter Abfahrer fühle, wurde der Oberösterreicher noch gefragt.
„Runterkommen allein ist zu wenig“, sagt Ploier. „Man muss schon schnell auch sein, um ein richtiger Abfahrer zu sein.“
Kommentare