Mit der oft sehenswerten Rückhand beeindruckt man, sie gewinnt aber keine Matches. Thiem muss speziell an der Vorhand arbeiten. Und wenn er einige Wochen nur das trainiert; und wenn er 200 Mal pro Tag auf die Bälle prügelt. Sein Topschlag muss tatsächlich wieder zum Topschlag werden.
"Ein Management sollte dieselbe Sprache sprechen. Und besser ist es, auch aufgrund der Sponsorensuche den heimischen Markt damit zu betrauen", sagte Thiems Ex-Manager Herwig Straka. Zwei Tage später hat sich Thiem tatsächlich vom Konsortium um den spanischen Kicker Gerard Piqué getrennt. Ob der erst 23-jährige Bruder Moritz Thiem der millionenschweren Aufgabe gewachsen ist, wird sich weisen.
Wichtiger ist aber, dass Bruder Dominic auf dem Platz einiges ändert. Nicolás Massú ist Mann mit Fachverstand, aber Ergebnisse sind auch Zeugnisse der Trainer-Arbeit. Auch wenn Thiem unter ihm die US Open gewann – weiterentwickelt hat er sich nicht. Frisches Blut würde dem Team Thiem guttun. Denn nur an der Handgelenksverletzung liegt es nicht, dass Thiem heuer noch keinen Satz gewann und ATP-Punkt eroberte.
Thiem gibt selbst zu, dass ihm seit seinem Triumph in New York 2020 das Feuer fehlt. Nur wenn es im Kopf auch passt, kann er sein Potenzial abrufen. Auch wenn Selbstvertrauen vordringlich mit Siegen kommt, mentale Unterstützung wäre dennoch hilfreich in dieser Situation. Man merkte, dass Thiem wenig entspannt ist, dass er sich den Druck selbst macht. Die Erwartungshaltung seiner Fans ist ohnehin leicht gesunken. Wird er wieder Top-Ten-Spieler, wäre dies für viele schon eine Überraschung.
Thiem könnte sich zur Mutinjektion alte Videos seiner vielen Erfolgen anschauen. Der alte Thiem könnte dem neuen Thiem selbst helfen.
Thiem vertraut seit Jahren einem angepassten Racket, dieses Modell wird bald nicht mehr erzeugt. Vielleicht würde ihm mit einem Schlag ein kompletter Ausrüsterwechsel guttun.
Thiem ist gegenwärtig die Nummer 96, hat aber alle seine Punkte in der zweiten Jahreshälfte gewonnen. Wenn er nur genauso viele Punkte bis Ende Juni holt, würde er sogar auf einem Platz um 35 liegen. "Ich weiß, dass ich nichts zu verteidigen habe bis Sommer", sagt Thiem. "Aber wichtiger ist, dass ich wieder mein Spiel finde." Dennoch kann ein Blick auf die Ranking-Arithmetik ein bisschen Mut machen. Denn mit einem Platz in den Top 50 rutscht Thiem bei allen Turnieren in den Hauptbewerb, die Wild-Card-Gnade der Turnierveranstalter hält nicht ewig.
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