Nein, eine Novität ist es gewiss nicht, dass Dominic Thiem bei den French Open zu den Mitfavoriten zählt. Zwei Finalauftritte und ebenso viele Semifinalteilnahmen zeugen davon, dass dem Niederösterreicher keine Außenseiterrolle gebührt. Geheimfavorit, sofern es diese unsinnige Bezeichnung überhaupt gibt, ist er sowieso seit Jahren nirgends mehr.
Am Sonntag geht es in Paris los. Was erwartet sich Österreichs Topmann? Was darf man von ihm erwarten? Was hat sich seit seinem Grand-Slam-Titel vor zwei Wochen bei den US Open geändert? Und was darf man sowieso noch wissen?
Wieviel Kraft gibt der erste Major-Titel?
Der US-Open-Triumph verbesserte freilich die Gemütslage. „Es fühlt sich definitiv gut an, weil einfach ein gewisser Druck weg ist. Egal, was von jetzt an passiert, ich bin ein Grand-Slam-Sieger, das wird mir nie mehr irgendwer wegnehmen.“ Mit seinen 27 Jahren ist er aber erfahren genug, um zu wissen, „dass hier wieder alles bei null beginnt. Ich habe keinen Bonus von irgendeinem Gegner“.
Wie sieht die Auslosung aus?
Vornweg ist eines klar, es wird keine Neuauflage der Endspiele der Jahre 2018 und 2019 geben, Thiem trifft spätestens im Semifinale auf Rafael Nadal. Keine Überraschung für Österreichs Aushängeschild, das die Logik bemüht. „Es war klar, dass ich laut Turnierraster als Nummer drei schon vor dem Finale entweder auf Nadal oder Novak Djokovic treffen werde.“ Falls diese wie Thiem auch bis dahin ihre Spiele gewinnen, sagt auch die Logik. Gesicherter ist, dass Thiems Erstrundengegner Marin Cilic heißt.
Gegen den Kroaten, der 2014 die US Open gewonnen hatte, siegte Thiem schon im Big Apple in der dritten Runde. „Das war ein enges Match. Es gibt nur wenige unangenehmere Auftaktgegner, weil er ein absoluter Champion ist, alles gewonnen hat und bei jeder Partie hundertprozentig an den Sieg glaubt.“
Der erste gesetzte Herr, den Thiem zu bespielen hätte, wäre in der dritten Runde Casper Ruud. Der beste norwegische Tennisspieler der Geschichte stand zuletzt in Rom im Semifinale.
Wer ist der absolute Favorit?
Diese Rolle hat in Paris seit mehr als einem Jahrzehnt Nadal für sich gepachtet. Thiem: „Er ist der beste Sandplatzspieler der Geschichte.“ Kein Spieler hat ein Grand-Slam-Turnier so oft gewonnen wie der Spanier: Seit 2005 hat er sich zwölf Mal die Siegprämie gutschreiben lassen. 2009 unterlag er im Achtelfinale dem Schweden Robin Söderling, 2015 im Viertelfinale Djokovic. 2016 konnte Mallorquiner nicht zu seiner Drittrundenpartie antreten. Obacht: In Rom unterlag er im Viertelfinale dem Argentinier Diego Schwartzman, in Roland Garros ein möglicher Viertelfinalgegner Thiems.
Kann Thiem nach Paris die Nummer eins der Welt werden?
Nein. Die Punkte des Vorjahres werden zwar eingefroren, Thiem kann aber nur die Punkte holen, die ihn im Vorjahr vom Titel trennten. Für den Triumph gibt es 2.000, für das Finale 1.200, Thiem kann also 800 Punkte machen. Djokovic wird in jedem Fall vorne bleiben, Nadal kann der Niederösterreicher nur überholen, wenn er den Titel holt. Schlechter als Dritter kann Thiem nicht werden.
Ist die Situation in Paris coronabedingt anders als in New York?
Für die Spieler der Blick aus dem Busfenster. „In New York sind wir vom Hotel in Long Island direkt auf die Anlage gefahren, da bekam man wenig von New York mit. Jetzt fahren wir durch die Stadt.“ Die Bubble bleibt streng, die Spieler dürfen nur zwei Betreuer mitnehmen. Allerdings wird vor Fans gespielt. Die werden aber immer weniger, mittlerweile sind nur noch 1.000 auf der Anlage zugelassen. „Das Leben in der Bubble ist zwar mühsam, aber wir Tennisprofis bekommen auch viel dafür“, sagt Thiem.
In der Profi-Ära (seit 1968) konnte noch nie ein Spieler seinem ersten Triumph beim folgenden Major den zweiten folgen lassen. Das gelang zuletzt John Newcombe, der 1967 Wimbledon und darauf die US Open gewann.
Was hat sich in Roland Garros getan?
Die Bälle wurden gewechselt und springen weniger hoch ab. Was dem Zuschauer tatsächlich auffallen könnte: Der Centre Court Philippe Chatrier hat ein Dach bekommen. Gut so, für nächste Woche sind gelegentlich Regenfälle prognostiziert. Dass es zu dieser Jahreszeit kält ist als beim Ursprungstermin im Mai, weiß Thiem. „Aber bei meinem Semifinale gegen Djokovic 2016 hatte es zwölf Grad“, sagt das Datenbank-Genie. Die Umstellung von Hartplatz auf Sand war nie ein Problem. „Ich bin auf diesem Belag aufgewachsen, liebe es, darauf zu spielen.“
Welche Österreicher gibt es noch zu sehen?
Dennis Novak trifft gleich auf den Deutschen Sascha Zverev, beide Freunde von Thiem. „Das ist das einzige Mal, wo ich nicht zu Sascha halte. Dennis hat großes Potenzial, es wird aber schwer.“ Qualifikant Jurij Rodionov schaffte es in seinen ersten Major-Hauptbewerb. „Ich möchte Erfahrung sammeln udn werde alles geben“, sagt der 21-Jährige. Auch Barbara Haas schaffte die Qualifikation. Sie steht erstmals im Hauptbewerb der French Open.
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