Wenn ein US Open Sieger in der Landesliga aufschlägt

Ein sattes „Plopp“, ein Augenzwinkern später peitscht die gelbe Filzkugel die Linie entlang, und als sie staubend vor der Grundlinie einschlägt, bleibt ein länglicher Abdruck im Ziegelsand: Das ist sie, die Thiem‘sche Rückhand. Einhändig gezogen, longline. Auf dem 1er Platz des Alt Erlaaer TC in Wien-Liesing. Und ja, er ist es wirklich: Dominic Thiem. Die ehemalige Nummer 3 einer Weltsportart, der Sieger der US Open 2020 und Gewinner von 17 ATP-Titeln, hat gerade einen Matchball verwertet. In einem Landesliga-Match.
Die Situation ist skurril - und auch wieder nicht. Thiem ist dem hiesigen Leistungszentrum als Profi und Freund verbunden. Seit Jahren steht er - wie sein Bruder Moritz - auf der Nennliste des Klubs. Seinem Management soll das vor einiger Zeit nicht ganz Recht gewesen sein - wie sieht das denn aus? Ein 30-Millionen-Dollar-Profi auf der Setzliste eines Landesligisten?
Aber weil der Alt Erlaaer TC im Final4 um den Titel kämpft, hat der dreifache Grand Slam-Finalist zu Mannschaftsführer Richard Bartosch gesagt „Ich spiel‘!“
Es ist kein Comeback, sondern ein Freundschaftsdienst. Am Klub. Und am Tennissport insgesamt. „Es geht darum, Dominic ganz nah zu erleben“, sagt sein Bruder Moritz. „Nicht im großen Stadion mit 15.000 Zuschauern, sondern auf einem normalen Tennisplatz.“
Normal? Nun, normal ist an diesem Samstagnachmittag gar nichts in Liesing: Die Erlaaer Straße ist Hunderte Meter zugeparkt, die Polizei hat gut damit zu tun, auf Sperrflächen parkende Lkw abzumahnen. Und weil irgendwie absehbar war, dass auf der Terrasse und an den Zäunen Hundertschaften an Tennis-verrückten Zaungäste hängen werden, wurde der Klub vorab „umgebaut“: Platz 2 wurde zur Tribüne, im Garten ist eine zusätzliche Bar entstanden; und in der Tennishalle, wo an „normalen Tagen“ Kinder Bälle übers Netz klopfen, haben Helfer Teppiche ausgerollt und Stehtische platziert, damit es eine kleine „VIP-Area“ mit Buffet und Bar geben kann. Am Rand laufen auf einem Flachbildschirm Thiems größte Ballwechsel in Endlosschleife: Gegen Andy Murray in Barcelona; gegen Novak Djokovic in Miami; und gegen einen gewissen Rafael Nadal in Monte Carlo.
Sinn der Sache, und damit sind wir bei Haupt-Protagonist Dominic Thiem, ist „Kinder fürs Tennis und den Sport zu begeistern.“
Vielleicht ist das der Punkt, an dem man über das Sportliche reden sollte: Dominic Thiem spielt für den Alt Erlaaer TC auf der 1. Und sein Gegner, der 24-jährige Lukas Krainer vom WAC, versuchte vorab ein wenig tiefzustapeln. „Das Match gegen Dominic ist für mich nichts Besonderes“, hat er Reportern erzählt. Was auf vielen Ebenen schief ist.
Ein Match gegen die frühere Nummer 3 der Welt ist für keinen Landesligaspieler auch nur im Ansatz „normal“. Und dass TV-Teams und Journalisten vor Ort sind, und dass man auf der randvollen Terrasse und an den Zäunen kaum einen Platz zum Zuschauen hat, gehört auch nicht zum Liga-Alltag.
Krainer hält sich wacker, er macht immerhin drei Games.
Am Abend liefern die Thiems noch eine Premiere: Sie spielen Doppel miteinander – und verlieren. Insgesamt behält Alt Erlaa aber die Oberhand. Das letzte Match bringt im Match-Tie-Break die Entscheidung. Und das bedeutet: Heute geht’s um den Titel. Irgendwer hat Dominic Thiem den Satz sagen hören „Wir gehen bis zum Ende mit.“ Was heißen würde: Er spielt erneut. Aber wer weiß das schon.
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