Rad-Ass Gall vor Tour-Premiere: "Das Rundherum ist ziemlich verrückt"

Felix Gall gibt Einblicke in die Tour de France.
Der Osttiroler übt sich vor dem Start seiner ersten Tour de France in Gelassenheit. Was ihn beim wichtigsten Radrennen der Welt erwartet, weiß er nur aus Erzählungen.

Felix Gall wird am 1. Juli seine erste Tour de France in Angriff nehmen. Der KURIER begleitet den Osttiroler auf dem Weg nach Paris und liefert regelmäßig Einblicke in das Leben eines Radprofis.

Die Gelassenheit von Felix Gall ist geradezu bewundernswert. In der Karriere eines Radprofis ist eine Teilnahme an der Tour de France sportlich wie emotional das Nonplusultra – aber was macht das mit dem Osttiroler? Gall erweckt eine Woche vor seinem ersten Antreten bei der Frankreich-Rundfahrt den Eindruck, als würde er bei einem x-beliebigen Hobbyrennen starten.

"Warum soll ich denn auch jetzt schon nervös sein", fragt der 25-jährige Profi des AG2R Citroën Teams und gibt selbst die Antwort. "Das wird in den drei Wochen dann eh stressig genug."

Schwierige Zeit

Pragmatisch, praktisch, gut – das ist jetzt nicht der schlechteste Zugang für eine Premiere bei der berühmten Tour. Überhaupt nach dem, was Felix Gall in den vergangenen Tagen mitgemacht hat. Der Unfalltod des Schweizer Kollegen Gino Mäder, der bei der Tour de Suisse in eine Schlucht gestürzt war, hat keinen kalt gelassen. Gall war einer jener Profis, die vergeblich den Abbruch der Rundfahrt gefordert hatten, über seinen Etappensieg und den achten Gesamtrang konnte sich der 25-Jährige nur bedingt freuen. "Es war alles ein bisschen viel. So was zehrt an einem", gesteht Gall.

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Deshalb ist es der Osttiroler in den vergangenen Tagen auch langsamer angegangen. "Ich musste einfach wieder runterkommen. Da darf man dann schon auch einmal einen Tag schlechter drauf sein."

Man mag’s gar nicht recht glauben, aber der Österreicher hat sich knapp eine Woche vor der Startetappe noch gar nicht so viele Gedanken über die Tour de France gemacht. Er kennt seine Helferrolle im französischen Team, er weiß, dass es am 1. Juli in Bilbao losgeht, er kann sich ausmalen, was für ein Menschenauflauf rund um die Etappen vorherrschen wird. "Ich hatte auch noch nicht die Energie, dass ich mich groß mit den Etappen beschäftige", sagt der Osttiroler. "Ich muss die Strecken ja gar nicht auswendig kennen und will mich auch nicht verrückt machen lassen."

Rad-Ass Gall vor Tour-Premiere: "Das Rundherum ist ziemlich verrückt"

Vive la France: Felix Gall stimmt sich auf die Tour ein.

Und dass die Tour de France das Hochamt des Radsports ist, lernt man bereits, wenn man noch mit Stützrädern unterwegs ist.

Das Alleinstellungsmerkmal ist obendrein auch durch die nackten Zahlen belegt. "Wenn man alle Radrennen des Jahres zusammenrechnet, und wir fahren immerhin von Februar bis Oktober, dann manchen die drei Wochen Tour de France 65 Prozent des Werbewerts des gesamten Radsports aus", weiß auch Felix Gall.

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Stressige Tage

Diese globale Bedeutung der Tour de France hat auch Auswirkungen auf das Verhalten des Radprofis daheim in Nußdorf-Debant. Gall geht vor der Abreise am Mittwoch nach Bilbao seinen Freunden und der Familie aus dem Weg und lässt sie mitunter sogar ganz links liegen. Die Corona-Zeit hat gelehrt, wie rasch ein Virus jemanden aus dem Sattel werfen kann. "Ich schaue, dass ich anderen Leuten aus dem Weg gehe und Menschenansammlungen meide, weil ich mir keine Krankheit einfangen will", berichtet er. Sicher ist sicher.

Bei der Tour de France wird er den Menschenmassen dann ohnehin nicht mehr aus dem Weg gehen können. Bereits bei der Fahrerpräsentation im Vorfeld wird’s rundgehen, die erfahrenen Teamkollegen haben den Neuling diesbezüglich schon einmal vorgewarnt. "Jeder sagt mir, das Rundherum ist ziemlich verrückt und erklärt, wie stressig das Ganze doch ist. Das Rundherum sei bei der Tour wie ein zusätzliches Rennen. Vielleicht ist es von Vorteil, dass ich grundsätzlich nicht nervös bin."

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