Schwierige Zeit
Pragmatisch, praktisch, gut – das ist jetzt nicht der schlechteste Zugang für eine Premiere bei der berühmten Tour. Überhaupt nach dem, was Felix Gall in den vergangenen Tagen mitgemacht hat. Der Unfalltod des Schweizer Kollegen Gino Mäder, der bei der Tour de Suisse in eine Schlucht gestürzt war, hat keinen kalt gelassen. Gall war einer jener Profis, die vergeblich den Abbruch der Rundfahrt gefordert hatten, über seinen Etappensieg und den achten Gesamtrang konnte sich der 25-Jährige nur bedingt freuen. "Es war alles ein bisschen viel. So was zehrt an einem", gesteht Gall.
➤ Mehr dazu: Viele Tränen am letzten Tag der Tour de Suisse
Deshalb ist es der Osttiroler in den vergangenen Tagen auch langsamer angegangen. "Ich musste einfach wieder runterkommen. Da darf man dann schon auch einmal einen Tag schlechter drauf sein."
Man mag’s gar nicht recht glauben, aber der Österreicher hat sich knapp eine Woche vor der Startetappe noch gar nicht so viele Gedanken über die Tour de France gemacht. Er kennt seine Helferrolle im französischen Team, er weiß, dass es am 1. Juli in Bilbao losgeht, er kann sich ausmalen, was für ein Menschenauflauf rund um die Etappen vorherrschen wird. "Ich hatte auch noch nicht die Energie, dass ich mich groß mit den Etappen beschäftige", sagt der Osttiroler. "Ich muss die Strecken ja gar nicht auswendig kennen und will mich auch nicht verrückt machen lassen."
Und dass die Tour de France das Hochamt des Radsports ist, lernt man bereits, wenn man noch mit Stützrädern unterwegs ist.
Das Alleinstellungsmerkmal ist obendrein auch durch die nackten Zahlen belegt. "Wenn man alle Radrennen des Jahres zusammenrechnet, und wir fahren immerhin von Februar bis Oktober, dann manchen die drei Wochen Tour de France 65 Prozent des Werbewerts des gesamten Radsports aus", weiß auch Felix Gall.
➤ Mehr dazu: Gall erfüllt sich "Lebenstraum" bei der Tour de France
Stressige Tage
Diese globale Bedeutung der Tour de France hat auch Auswirkungen auf das Verhalten des Radprofis daheim in Nußdorf-Debant. Gall geht vor der Abreise am Mittwoch nach Bilbao seinen Freunden und der Familie aus dem Weg und lässt sie mitunter sogar ganz links liegen. Die Corona-Zeit hat gelehrt, wie rasch ein Virus jemanden aus dem Sattel werfen kann. "Ich schaue, dass ich anderen Leuten aus dem Weg gehe und Menschenansammlungen meide, weil ich mir keine Krankheit einfangen will", berichtet er. Sicher ist sicher.
Bei der Tour de France wird er den Menschenmassen dann ohnehin nicht mehr aus dem Weg gehen können. Bereits bei der Fahrerpräsentation im Vorfeld wird’s rundgehen, die erfahrenen Teamkollegen haben den Neuling diesbezüglich schon einmal vorgewarnt. "Jeder sagt mir, das Rundherum ist ziemlich verrückt und erklärt, wie stressig das Ganze doch ist. Das Rundherum sei bei der Tour wie ein zusätzliches Rennen. Vielleicht ist es von Vorteil, dass ich grundsätzlich nicht nervös bin."
Kommentare