Österreichs erfolgreichste Sommersportler gehen von Bord
Acht Goldmedaillen haben Österreichs Sportler bei Olympischen Sommerspielen nach dem Zweiten Weltkrieg gewonnen. Für ein Viertel davon waren die Segler Roman Hagara und Hans Peter Steinacher verantwortlich. 2000 in Sydney und 2004 in Athen gewannen sie jeweils die Tornado-Klasse. 2020 sitzen sie in einem Boot der spektakulären GC32-Racing-Tour. Auf den fliegenden Katamaranen soll heuer mit dem Red Bull Sailing Team der Gesamtsieg geholt werden. Und dann ist Schluss mit den Wettkämpfen, wie die beiden nach 24 gemeinsamen Jahren im KURIER-Interview erklären.
KURIER: Ihre Karriere ist mittlerweile auf der Zielgeraden?
Roman Hagara: Wir haben heuer unsere letzte Saison auf der GC-Racing-Tour mit unserem schnellen Katamaran. Das Ziel ist, besser zu sein als letztes Jahr. Da waren wir Dritter. Heuer wollen wir es noch einmal wissen. Ideal wäre es, wenn wir die Serie gewinnen.
Die Konkurrenz ist groß. Warum soll es heuer klappen?
Hagara: Weil wir heuer mit derselben Mannschaft fahren wie vergangene Saison. Bei diesen Booten ist es sehr wichtig, dass das Team eingespielt ist. Man kommt mit 70 bis 80 Stundenkilometern zu den Wendemarken, wenn da eine Kleinigkeit nicht funktioniert, dann ziehen die Gegner vorbei. Das ist uns leider ein paar Mal passiert.
Die Boote fahren auf einem schmalen Grat zwischen großem Spaß und Gefahr. Was, wenn ein Fehler passiert?
Hans Peter Steinacher: Wenn man alleine am Wasser ist, ist es etwas anderes. Aber mit acht, neun anderen Booten am Kurs ist es sehr eng. Das ist, als würde man Formel-1-Autos auf eine Gokart-Strecke schicken.
Welche sind die gefährlichen Situationen?
Steinacher: Die Zusammenstöße. Die Boote kreuzen auf dem Kurs, das heißt, wir fahren mit bis zu 80 Stundenkilometer aufeinander zu. Bei einer Kollision macht das einen gescheiten Bumms. Das ist uns leider schon zweimal passiert. Wenn du Pech hast, dann triffst du die Besatzung vom anderen Boot. Und dann wird es richtig gefährlich.
Roman Hagara und Hans Peter Steinacher vor ihrer letzten Saison
Sie sitzen seit 24 Jahren in einem Boot. Was ist das Geheimnis des Erfolges?
Hagara: Wir haben uns schon gut verstanden, als wir noch Gegner waren. Wir hatten immer eine klare Aufgabenverteilung. So kannst du dir auch nie in die Quere kommen. Wir haben uns bei Trainings und Regattas viel gesehen. Aber dazwischen sind wir unseren eigenen Weg gegangen, auch räumlich. Ich bin vom Neusiedler See, Hans Peter vom Zeller See. Wir hatten also auch genug Distanz.
Wie eine Fernbeziehung?
Hagara: Ja, genau. Das ist wahrscheinlich auch bei Ehen zu empfehlen, wenn man einmal etwas weiter auseinandergeht.
Machen Sie in der Pension vielleicht ein Eheberatungsinstitut auf?
Hagara: Vielleicht. Wir hätten ein paar gute Tipps von uns, wie zum Beispiel getrennte Betten (lacht).
Warum ergänzen Sie einander so gut?
Steinacher: Roman ist extrem zielstrebig und sehr genau. Das Wichtigste ist, dass man den anderen in seiner Art respektiert.
Umgekehrt: Wie viele Situationen hat es gegeben, in denen Sie Hans Peter gerne über Bord geworfen hätten?
Hagara: Wenige. Wir haben uns immer sehr gut verstanden. Es ist schon vorgekommen, dass er über Bord gegangen ist, aber das war, weil wir Unfälle gehabt haben. Ich bin ihm auch einmal mit dem Ruder über den Kopf gefahren.
SEGELN HAGARA STEINACHER
VOR T
Wie haben Sie sich kennengelernt?
Hagara: 1996 waren wir für die Olympischen Spiele in Atlanta schon in einer Ausscheidung. Hans Peter hat dann gesehen, dass es für ihn keinen Sinn mehr macht.
Steinacher: Nach der WM in Brisbane habe ich eigentlich aufgehört. Daheim hatten wir einen Reifenhandel, ich war einer von drei Angestellten.
Hagara: Sein Vater hat daheim schon mit dem Hammer gewartet. Ich habe weiter gemacht und war auf Vorschoter-Suche. Dann war ich bei Hans Peter daheim zum Skifahren in Zell am See, wir waren ja gut befreundet. Irgendwann, als ich im Appartement aus der Tür ging, habe ich nebenbei gefragt, ob Hans Peter mit mir eine Olympia-Kampagne fahren möchte. Und er hat gemeint: Ja, warum nicht? Er würde noch mit seiner Familie darüber sprechen.
Steinacher: Und da waren wir ja nicht ganz ehrlich. Romans Olympia-Planung hätte zwölf Wochen ausgemacht. Die typische Antwort meines Vaters war: Fünf Wochen Urlaub hast sowieso, dazu gibt es fünf Wochen Zeitausgleich für die Überstunden, und zwei Wochen kannst so haben. Nur sind wir dann mit den zwölf Wochen nicht ausgekommen. Unterwegs waren wir 22 und im Jahr darauf 27. Ich habe mich durchgeschaukelt bis 2000 mit einer Doppelbelastung. Nur einmal war ich meinem Vater wirklich im Wort.
Wann und warum?
Steinacher: 1998, da war eine WM im November, genau in der Zeit der Reifenwechsel im Betrieb. Wir haben eine WM wegen der Reifenwechsel ausgelassen.
Hagara: Danach war er unser größter Fan.
Steinacher: Das Schöne war sein Weitblick. Nach dem Olympiasieg 2000 hat er zu mir gesagt: Das müsst ihr jetzt ausnützen, das kannst mit der Reifenwechslerei gar nicht verdienen. Er hat den Betrieb über 40 Jahre aufgebaut und dann verpachtet. Bewundernswert.
Zu den Personen
Roman Hagara (53) ist in Wien geboren, seine Segel-Heimat ist der Neusiedler See. Seit 1996 segelt er mit dem Zeller Hans Peter Steinacher (51). Erfolge: Hagara – EM: 5 Gold, 2 Silber. WM 2 Gold, 2 Silber, 2 Bronze. Olympia: 2 Gold. Steinacher: EM: 4 Gold: 2 Silber. WM: 1 Gold, 2 Silber, 1 Bronze. Olympia: 2 Gold.
Sommer-Olympiasieger
ab 1945: Herma Bauma (Speerwurf 1948), Hubert Hammerer (Schießen 1960), Elisabeth Theurer (Dressur 1980), Peter Seisenbacher (Judo 1984, 1988), Christoph Sieber (Surfen 2000), Hagara/ Steinacher (Segeln 2000, 2004), Kate Allen (Triathlon 2004).
Es hat sich aber ausgezahlt.
Hagara: Ja. Wobei man nie die Arbeit davor sieht. Es sind viele Jahre vergangen, bis wir erfolgreich waren.
Steinacher: Wir sind mit 30 Jahren Olympiasieger geworden. In vielen Sportarten bist du Altholz und wirst aussortiert. Im Segeln brauchst du die Erfahrung.
Haben Sie einmal zusammengerechnet, wie oft Sie mit dem Boot die Erde umrundet haben?
Steinacher: Jetzt wäre es einfach, weil wir mit viel Elektronik fahren. Aber am Anfang sind wir ohne der Technik gesegelt. Aber es sind pro Tag zirka 30 Meilen. Wir haben zirka 150 Segeltage pro Jahr und machen das seit 24 Jahren ... (Anm. das ergibt 58.315 Kilometer).
Die Höhepunkte Ihrer Karriere waren die zwei Olympia-Goldmedaillen. Wie war es, vier Jahre lang auf nur eine Regatta hinzuarbeiten?
Hagara: Es ist schwierig. In Wirklichkeit fängt die Zielsetzung Olympia schon mit 18, 19 Jahren an. Da vergehen dann schon mehrere Jahre. Wir haben uns sehr akribisch mit dem Projekt beschäftigt und ein großes Team um uns herum aufgebaut. Und wir haben natürlich hart gearbeitet. Für uns gab es keine Feiertage oder Wochenenden.
Wie war der Druck bei Olympia nach den vielen Jahren der Vorbereitung?
Steinacher: In Sydney war nicht viel Druck da, weil wir richtig gutes Selbstvertrauen hatten. 2008 in China haben wir bemerkt, dass wir in der Vorbereitung einen Fehler gemacht haben. Da steigt dann der Druck und man wird hektisch. Es liegt wirklich an der Vorbereitung.
2004 war das Motto, die Goldene zu bestätigen. War das schwierig?
Steinacher: Bestätigen mussten wir nichts mehr. Aber die Situation hat sich komplett geändert. Wir sind vier Jahre lang von allen beobachtet worden. Das war das Lästige. Wir haben einige Entwicklungen immer zurückhalten müssen, weil große Nationen das alles in kurzer Zeit hätten kopieren können.
Wie kann man sich Ihre Pension vorstellen?
Hagara: Es wird sich weiter ums Segeln drehen – was wir können und lieben. Wir werden nicht mehr am Rennkurs fahren, aber wir werden unsere Boote weiter bewegen. In anderen Projekten, für die wir bisher keine Zeit hatten.
Und Roman Hagara kümmert sich um Österreichs Olympia-Hoffnungsträger?
Hagara: Letztes Jahr habe ich die Zusammenarbeit mit dem Segelverband begonnen. Ich war bei mehreren Regatten dabei. Die 49er haben sehr gute Medaillenchancen für Tokio, bei der WM in Australien haben sie es schon aufgezeigt, wo sie mit Pech aus den ersten drei gedrängt wurden. Aus den Fehlern versucht man zu lernen, damit es bei Olympia besser klappt.
Ist Österreich für eine Binnen-Nation im Segeln besonders erfolgreich?
Steinacher: Die großen Segelnationen sind ein großes Stück weg. Aber wenn man unter den Binnen-Nationen vergleicht, dann sind wir schon weit vorne. Da holen wir sehr viel heraus.
Kommentare