„Imola war immer etwas Besonderes“, sagt der Profi-Fotograf, „ich habe mittlerweile fast alle großen Rennstrecken dieser Welt aus nächster Nähe gesehen, aber Imola verfügt noch immer über einige der besten Streckenpassagen überhaupt.“ Die Namen einiger Kurvenvarianten wecken auch 14 Jahre nach dem bis dato letzten Grand Prix immer noch Erinnerungen bei den Rennfans: Acque Minerali, Rivazza, Tosa und – natürlich – Tamburello.
Die Hochgeschwindigkeitskurve wurde am 1. Mai 1994 Dreifach-Weltmeister Ayrton Senna in seinem Williams zum Verhängnis. Mark Sutton hatte an jenem Rennsonntag seine Kamera bei der darauffolgenden Kurve Tosa in Stellung gebracht, aber dennoch freie Sicht auf Tamburello.
Er erinnert sich: „Ich sah zunächst nur Staub, aber ich wusste, dass etwas nicht stimmt. Weil die Fans auf den Tribünen so nervös reagiert haben. Als der Rettungshelikopter später wieder abhob, klatschten plötzlich die Tifosi, es dürften rund 15.000 auf diesem kleinen Hügel gewesen sein, für Senna, den Williams-Fahrer. Das war schon außergewöhnlich.“
Doch das Schlimmste an diesem Tag sollte dem Fotografen noch am Abend bevorstehen: der Rückflug. „Am Flughafen traf ich die gesamte Williams-Mannschaft und fand heraus, dass ich auf demselben Rückflug nach England gebucht war. Sie wussten zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass Senna gestorben war. Das wurde ihnen kurz vor dem Abflug in einem separaten Raum mitgeteilt. Der Flug war die Hölle.“
Nicht nur mit einer Menge Erinnerungen kehrte Mark Sutton an jenem Wochenende aus Imola zurück, sondern auch mit einer Ikone der Motorsport-Fotografie. Dem Briten war eine der letzten Porträtaufnahmen von Ayrton Senna gelungen (siehe Aufmacher-Foto).
Nach dem Fahrermeeting wenige Stunden vor Rennstart hatte der Fotograf einen überraschend verunsicherten Brasilianer vor dem Objektiv. Tags zuvor war der Salzburger Roland Ratzenberger in dessen Simtek tödlich verunglückt. „Senna hat ausgesehen, als wollte er nicht fahren an diesem Tag. Er wirkte, anders als sonst, nicht total fokussiert“, sagt Sutton.
Mit Roland Ratzenberger verband Sutton eine Freundschaft. Sie kannten einander aus der Formel 3, zudem fotografierte Sutton für das junge Simtek-Team, das 1994 in Imola erst zum dritten Mal in der Startaufstellung stand. Ratzenberger hatte zuvor gar erst einen Grand Prix bestritten, weshalb Sutton in Imola ihn und seine beiden Landsmänner, Gerhard Berger und Karl Wendlinger, zum Fotoshooting bat. Auch eine Rarität rückblickend.
Erst beim Lockdown im Frühjahr musste Sutton an seinen „alten Freund Roland“ denken. „Beim Aufräumen habe ich eine Visitenkarte von ihm gefunden. Die gehört eigentlich in ein Museum.“
Vom Stillstand aus dem Frühjahr ist in der Formel 1 nichts mehr zu erkennen. Der Große Preis der Emilia Romagna am Sonntag ist das 13. Rennen seit Anfang Juli. Mark Sutton war als einer der wenigen Medienvertreter überall vor Ort. Gut 30 PCR-Tests waren dafür nötig. Das Fahrerlager und die Boxengasse sind für ihn dennoch Sperrzone. Bleibt nur die Rennstrecke. „Ich kehre zu meinen Wurzeln zurück. An manchen Kurven, an denen ich heuer fotografiert habe, war ich davor 15 Jahre nicht mehr.“
Bei seinem allerersten Motorsporteinsatz 1983 kollidierte in der Formel 3 der junge Ayrton Senna mit Martin Brundle direkt vor Suttons Linse. Ein Foto von dem Crash hat er jedoch nicht. „Genau als die Kollision stattfand, war ich dabei, meine Kamera wieder aufzuziehen.“
Kommentare