Wie ein Deutscher zum längstdienenden Nationaltrainer Österreichs wurde

Wie ein Deutscher zum längstdienenden Nationaltrainer Österreichs wurde
Seit fast zwei Jahrzehnten betreut Herbert Müller Österreichs Handballerinnen. Er baute ein Team auf, das sich bei der WM einem Härtetest stellt.

Als Herbert Müller das Amt des Teamchefs der österreichischen Handballerinnen antrat, hieß der Ski-Gesamtweltcupsieger Hermann Maier und der Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Bald zwanzig Jahre ist das her.

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Man könnte meinen, dass sich der 61-jährige Deutsche mittlerweile eine gewisse Routine angeeignet hat, wenn es darum geht, seine Auswahl auf eine Weltmeisterschaft vorzubereiten. Die diesjährige Endrunde, die Österreich am Mittwoch gegen Südkorea eröffnet (18 Uhr/live ORF1), ist die dritte in der Ära Müller beim ÖHB. 

Obwohl: So ganz stimmt das nicht. Die jüngste WM vor zwei Jahren musste der Teamchef aus der Isolation des Hotelzimmers verfolgen. Das Coronavirus hatte im Teamcamp gewütet und neben dem Trainer auch das halbe Nationalteam in die Quarantäne verfrachtet.

Das Glück kam aber zurück – und zwar schon heuer. Im WM-Play-off im Sommer waren die Österreicherinnen knapp an der Topnation Spanien gescheitert, der Weltverband stattete die rot-weiß-rote Auswahl aber mit einer Wildcard für die Endrunde in Skandinavien aus. „Ich möchte festhalten, dass die Wildcard sportlich mehr als verdient ist“, sagt Müller und erklärt: „Wir haben im Play-off als einzige Nation ein Remis erreicht.“

Dankbar ist man freilich, aber dennoch gierig, was die Zielsetzungen in Vorrundengruppe C mit Südkorea, Co-Gastgeber und Mitfavorit Norwegen und Grönland angeht. „Gegen Norwegen zu spielen, ist eine fantastische Herausforderung, kann aber auch ein Albtraum sein“, gibt Müller zu. Im Hinblick auf die Heim-EM, die Österreich im kommenden Jahr gemeinsam mit Ungarn und der Schweiz veranstaltet, sei es nun auch mal an der Zeit, „den letzten Schritt zu gehen und endlich eine große Nation zu Fall zu bringen“.

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Für den Aufstieg in die Hauptrunde, dem erklärten Ziel, reicht vermutlich aber schon ein Sieg gegen Grönland. „Grönland ist natürlich ein spannendes, weil außergewöhnliches Los. Aber wir brauchen da nicht groß herumreden. Wir wollen als Sieger vom Feld gehen und in die Hauptrunde.“

Herbert Müller ist es gewohnt, klare Ansagen zu machen. Als längstdienender Nationaltrainer des Landes in einer olympischen Ballsportart hat er über Jahrzehnte gesehen, was gut und falsch läuft – auf und abseits des Handballparketts.

Die Verantwortlichen in der heimischen Liga hat er nicht nur einmal irritiert, wenn er seine Teamspielerinnen dazu animiert hat, möglichst rasch ins Ausland zu wechseln. „In Österreich stößt du rasch an Grenzen“, sagt Müller, der in seinem Hauptberuf seit 2010 den Thüringer HC in der deutschen Bundesliga betreut und bisher zu sieben Meisterschaften geführt hat.

Zehn der 16 Spielerinnen im WM-Kader sind im Ausland beschäftigt. Lange vorbei sind die Zeiten, in denen das Team vorwiegend aus eingebürgerten Hypo-Akteurinnen bestand. Dass Österreich dennoch wieder mit dem Nationalteam konkurrenzfähig ist, hat man vor allem der Auf- und Umbauarbeit des Deutschen zu verdanken. „Es gibt Positionen, auf denen ich weiterhin nach Alternativen lechze. Da darf uns absolut niemand ausfallen“, sagt Müller, fügt aber an: „Gleichzeitig habe ich auf der einen oder anderen Positionen erstmals die Qual der Wahl. Die Entwicklungsarbeit hat sich ausgezahlt.“

Es ist nur selten im Sport, dass jemand dafür zwanzig Jahre Zeit bekommt.

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