Wie es einen Ex-Rapid-Spieler in die letzte Liga verschlug

Andraes Reisinger im Trikot von Rapid am 18. September 1990 gegen Inter Mailand
Am 14. Oktober wird der Ex-Teamspieler 60 Jahre alt. Er blickt auf seine Karriere zurück und erzählt, weshalb er ungern Grabstein-Bilder tätowiert.

Wir schreiben den 19. Juni 1990, Österreich schlägt die USA bei der WM in Italien mit 2:1, der bis heute letzte Sieg einer ÖFB-Auswahl bei einer Weltmeisterschaft. Vor knapp 35.000 Zuschauern in Florenz wurde der damals 26-jährige Andreas Reisinger zur zweiten Halbzeit eingewechselt.

Schauplatzwechsel: Gut 33 Jahre später, ein Dienstag im September, Sportplatz im niederösterreichischen St. Andrä/Wördern. Seit fast einem Jahr trainiert Reisinger die Kampfmannschaft der knapp 10.000-Einwohner-Gemeinde im Bezirk Tulln.

Den Abstieg in die zweite Klasse (achte Spielstufe) konnte er im Vorjahr nicht mehr verhindern. „Das erste Mal, dass ich als Trainer abgestiegen bin.“ Vor dem Training erinnert sich der seit heute 60-Jährige an seine bewegte Karriere.

Höhepunkt der Karriere

„Die Weltmeisterschaft 1990 war sicher das Highlight“, sagt er, „über eine WM geht nicht viel drüber.“ Da war zuerst das Spiel gegen Gastgeber Italien in Rom vor 75.000 Fans. „30.000 davon waren aus Österreich, das war phänomenal.“ Das 0:1 sah er genauso von der Bank, wie den „Rückpass des Jahrhunderts“ von Anton Pfeffer im zweiten Spiel gegen die Tschechoslowakei. „Das war Pech“, macht der damalige Rapid-Spieler dem Austrianer keinen Vorwurf. Der abschließende Sieg gegen die USA („eine richtige Schlacht“) reichte nicht zum Aufstieg, „wir haben aber trotzdem eine gute WM gespielt.“

Vereinsmäßig erlebte der gelernte Karosseriebauspengler, der heute im Krankenhaus Wien Nord als Fahrer arbeitet, seinen Höhepunkt mit Austria Salzburg, er wurde in der Saison 1993/94 österreichischer Meister. „Rapid, Salzburg und der Wiener Sport-Club waren meine emotionalsten Stationen. Ich kann aber über keinen meiner Vereine irgendetwas Negatives sagen“, erzählt der Mittelfeldspieler.

Wie es einen Ex-Rapid-Spieler in die letzte Liga verschlug

Andreas Reisinger (Mitte) bei St. Andrä/Wördern

Als Trainer schaffte er es nicht ganz nach oben. Lange war er bei den Rapid Amateuren („bis heute der längst dienende Regionalliga-Trainer“), später auch wieder beim Sport-Club. „Ich war vielleicht zu wenig engagiert, um höhere Sachen anzugehen“, sagt der Mann mit der UEFA-Pro-Lizenz. Nach kurzer Nachdenkpause fügt er mit einem Grinsen im Gesicht hinzu: „Ich war zu nachlässig, habe es mir lieber gut gehen lassen.“

Nebenbei erlernte Reisinger auch die Kunst des Tätowierens. Er profitierte dabei von seiner Popularität unter den Fußballfans. „Sport-Club-Fans waren viele bei mir, die wollten Grabsteine oder Spielfelder mit den Kreuzen daneben, das wollte ich ihnen immer ausreden.“ Ohne Erfolg, die Friedhofstribüne geht vielen unter die Haut. „Aber ich hab„ auch viele Rapid-Ultras gestochen.“

Nach seinem Engagement beim Sport-Club verließ ihn 2016 die Lust aufs Trainerdasein – aber nur kurz. „Dann fangt es wieder an zu jucken“, erzählt Reisinger, „ich habe mich aber entschieden, nur noch kleinere Sachen zu machen.“ So landete er beim SV St. Andrä/Wördern. „Ich fühle mich sehr wohl hier, ein sehr familiäres Klima“, sagt er. Auch wenn er teilweise natürlich Abstriche machen muss, der sportliche Ehrgeiz lässt ihn auch in der untersten Klasse nicht aus: „Den hab ich in mir drinnen, den bekomm’ ich nicht raus.“

Den Abstieg will er nicht auf sich sitzen lassen. Ziel ist es, vorne mitzuspielen und auch wieder aufzusteigen. Seine Bitte: „Ein bisschen mehr Unterstützung von der Gemeinde wäre da nicht schlecht.“ Geprägt als Trainer haben ihn Größen wie Ernst Happel oder Walter „Schani“ Skocik.

Geld hat in seiner Karriere nie so eine große Rolle gespielt. „Für die WM haben wir damals rund 300.000 Schilling bekommen, glaube ich.“ Kein Vergleich zu den heutigen Profis, Neid gibt es trotzdem keinen: „Das hat sich halt geändert.“ Vom WM-Kicker zum Trainer in der 2. Klasse – Reisinger blickt auf eine spannende Karriere zurück, „und ich würde alles genauso wieder machen“. Schade sei nur, dass es mit dem Transfer ins Ausland nicht geklappt hat. „Leverkusen war damals ziemlich knapp, aber es wollte halt nicht sein.“

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