Wie der Ungar Kassai Österreichs Schiedsrichterwesen umkrempelt

ÖFB-Schiedsrichter-Boss Viktor Kassai war 2011 die Nr. 1 der Welt
Viktor Kassai soll das Niveau der Schiedsrichter heben. Seine Ziele sind groß, langfristig sieht der Ex-Top-Referee nur das Profitum als Lösung.

Die Job-Bezeichnung durch den ÖFB klingt sperrig, das Ziel von Viktor Kassai als „Technical Director Refereeing“ ist eindeutig. „Ich will helfen, Österreichs Schiedsrichterwesen zu verbessern“, erklärt der 47-jährige Ungar, der bis 2019 zu den Besten seiner Zunft gezählt hat.

Die angesprochene Verbesserung ist auch dringend nötig. Während sich die Bundesliga in den vergangenen zehn Jahren sowohl sportlich als auch bei der Infrastruktur deutlich verbessert hat und laut UEFA-Wertung zu einer Top-10-Liga Europas wurde, sind Österreichs Referees bei Großereignissen seit 2010 nur Zuschauer und im Inland Ziel von Kritik bis Häme.

„Die Bundesliga zahlt pro Jahr zwei Millionen Euro an den ÖFB für das Schiedsrichterwesen. Der ÖFB ist unser Dienstleister“, stellt Liga-Boss Christian Ebenbauer klar. Und für diesen Dienst wollen die zahlenden Profiklubs ab sofort bessere Leistung.

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Liga-Boss Ebenbauer (l.) forderte Verbesserungen

Da trifft es sich gut, dass der mit der Personalsuche beauftragte Ali Hofmann einen Vollprofi überzeugen konnte.

"Rangnick-Geschichte"

„Anfangs war ich mir nicht sicher, ob wir so einen Mann gewinnen können“, erzählt Hofmann vom ÖFB Referee Department. „Am Ende hat Kassai einem Vertrag über zwei Jahre plus Option auf Verlängerung zugestimmt. Das ist die Ralf-Rangnick-Geschichte des Schiedsrichterwesens“, verweist Ex-Sprinter Hofmann auf die überraschende Teamchef-Bestellung.

Kassai spricht bereits gut Deutsch, verfolgte als Kind die ORF-Fußballsendungen in Ungarn und hat für die wartende Mammutaufgabe die nötige Erfahrung: Der Schiri-Sohn war zuletzt als Schiedsrichter-Manager in Russland und Bulgarien tätig.

Zeit für Veränderung

Der Weltschiedsrichter 2011 und Referee des Champions-League-Finales 2011 legt gleich beim dreitätigen Schiedsrichter-Seminar in Salzburg los. Sein finales Ziel – die Referees als Profis – liegt aber einige Jahre entfernt.

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Was sich mit Kassai alles ändern und bessern soll:

Vorrang für die Besten

Bislang hatten die Bundesliga-Schiedsrichter ähnlich viele Einsätze pro Saison. Künftig steht die Leistung im Vordergrund. „Ich werde die Besetzungen vornehmen und will, dass gute Leistungen mit mehr Einsätzen belohnt werden“, kündigt Kassai an.

Konsequenzen für Fehler

Schwache Leistungen, die ohne Folgen bleiben, weil der betroffene Schiedsrichter gleich wieder eingesetzt wird, soll es nicht mehr geben. „Ich will keine Schiedsrichter töten, also nur noch in der 2. Liga einsetzen“, erläutert Kassai. „Aber wie bei einem Spieler, der auf die Ersatzbank muss, wird es Konsequenzen geben. Schiedsrichter, die mehrere Fehler machen, werden seltener eingesetzt.“

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Tempo beim VAR

Kassai nimmt mit György Ring einen Assistenten mit, der als VAR-Chef ein großes Problemfeld beackern wird. So wie Ebenbauer fordert auch Kassai: „Es muss schneller gehen. Die VAR-Entscheidungen sind meistens klar. Aber der Weg dorthin muss kürzer sein.“

Bessere Betreuung

Kassai weiß, „dass wir nur durch Entwicklung, nicht durch Transfers besser werden können“. Deswegen wird es wöchentlich einen Online-Termin geben, bei dem in der Spielanalyse konkrete Verbesserungen besprochen werden: „Ich bin wie ein Trainer, der sein Team durch Instruktionen besser macht.“ Zusätzlich sollen den Schiedsrichtern „Spezialisten für Fitness und Mentaltraining zur Verfügung gestellt werden“.

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Professionalisierung

Die größte Hürde ist der Umstieg ins Profitum, wie es in allen Top-Ligen, aber auch in Kassais Heimat Ungarn oder in Schweden üblich ist: „Wenn jemand einen 40-Stunden-Job hat und sich nur amateurhaft auf ein Spiel vorbereiten kann – wie soll er dann die Leistung eines Profis bringen? Sogar die Zeugwarte sind Profis. Nur jene Menschen, die die wichtigsten Entscheidungen zu fällen haben, sind Amateure.“

Das viele Geld, das für die Umstellung nötig wäre, ist nicht das einzige Problem: „Es geht auch um die Einstellung: Warum soll jemand seinen Hauptjob aufgeben, wenn er nach ein paar Fehlpfiffen um sein Einkommen bangen müsste? Aber langfristig wird es nicht anders gehen, wenn Österreich auch bei den Schiedsrichtern an die Spitze will.“

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