Vergabe der EM 2024: Türkei hofft auf Prestigeerfolg

Das Atatürk-Olympiastadion.
Die Türken wollen nach drei gescheiterten Anläufen endlich zum Zug kommen. Der Gegner heißt aber Deutschland.

Altbewährtes oder Neuland, Deutschland oder Türkei? Europas Fußballverband steht am Donnerstag vor dieser Frage, wenn das Exekutivkomitee der UEFA in Nyon über die Vergabe der Europameisterschaft 2024 abstimmt. Bei der Entscheidung geht es aber um mehr als nur um Fußball. Gerade für die Türkei wäre das erste Fußball-Großereignis überhaupt nach drei gescheiterten Anläufen ein großer Prestigeerfolg.

Für den türkischen Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan wäre der Zuschlag ein Sieg in einer krisengeschüttelten Zeit - umso mehr, weil die Deutschen als Favorit ins Rennen gehen. Erdogan reist just am Donnerstag nach Deutschland und wird voraussichtlich dort von der Entscheidung erfahren. Mit seinem Besuch will er die Beziehungen zu Deutschland und Europa wieder verbessern. Nachdem er sich mit den USA überworfen und sein Land in eine Währungskrise manövriert hat, braucht er Freunde und Erfolge.

Der britische Journalist Patrick Keddie, der über den türkischen Fußball ein Buch geschrieben hat, sagt, für Erdogan sei es eine Win-win-Situation: "Wenn die Türken gewinnen, ist es für Erdogan eine gute Gelegenheit, sich ins Rampenlicht zu stellen. Wenn sie den Zuschlag nicht erhalten, kann er natürlich sagen, dass Europa die Türkei unfair behandelt."

"Sind jetzt an der Reihe"

Dreimal scheiterte die Türkei bereits mit einer EM-Bewerbung für die Turniere 2008, 2012 und 2016 denkbar knapp mit 6:7-Stimmen an Frankreich. "Wir glauben, dass wir jetzt an der Reihe sind", erklärte Yildirim Demirören, Chef des türkischen Verbands. Jetzt setzt man auf die Erschließung neuer Fußball-Märkte als Tor gen Osten und vor allem auf eine im Gegensatz zu Deutschland bedingungslose Unterstützung durch die eigene Regierung.

Präsident Erdogan ist großer Fußball-Fan und hat sich persönlich in den Wahlkampf eingeschaltet. Das kommt wohl speziell bei Wahlmännern aus Osteuropa gut an, wo der Politiker nicht so umstritten ist wie etwa in Deutschland oder Österreich. Die Türkei wirbt unter dem Motto "gemeinsam teilen" vor allem mit ihrer geografischen Lage zwischen Europa und Asien und der kulturellen Vielfalt der geplanten neun Austragungsstätten von Istanbul bis Gaziantep an der syrischen Grenze.

Den Deutschen, die neben den Weltmeisterschaften 1974 und 2006 auch die EM 1988 ausgetragen haben, macht freilich der am vergangenen Freitag veröffentlichte UEFA-Evaluationsbericht Hoffnung, in dem der DFB besser bewertet wurde als die Türkei. Die wurde etwa dafür kritisiert, dass ein Aktionsplan zum Thema Menschenrechte fehle. Deutschland sei zudem in Sachen Infrastruktur überlegen, die zehn Stadien haben größere Kapazitäten und damit das Potenzial für höhere Einnahmen bei den 51 Spielen. Eine Garantie bietet das technische Zeugnis aber nicht. So schnitt Katar vor der Vergabe der WM 2022 mit Abstand am schlechtesten ab und bekam den Zuschlag der FIFA.

Deutschland im Vorteil

Will man auf Nummer sicher gehen, ist Deutschland im Vorteil. "Die Organisation der Euro 2020 in zwölf verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen Regularien ist eine Hölle. Für 2024 will die UEFA kein Risiko eingehen, und mit Deutschland besteht die Gewissheit, dass alles pünktlich fertig und perfekt funktionieren wird", zitierte die französische Nachrichtenagentur AFP einen UEFA-Insider.

Ein EM-K.o. jedenfalls wäre für den deutschen Fußball auf den Tag genau drei Monate nach dem WM-Scheitern in Russland der nächste Nackenschlag. Die sonst so große internationale Reputation wäre perdu, Struktur- und Personaldiskussionen im DFB wären die logische Folge. DFB-Präsident Reinhard Grindel machte nicht zuletzt in der Rassismus-Debatte um Mesut Özil keine besonders gute Figur, dazu öffentlich gewordene E-Mails, die ihn in ein unglückliches Licht rücken - hinter vorgehaltener Hand mehren sich aufgrund der möglichen Angriffsflächen kritische Stimmen.

Bei der Wahl in Nyon ist Grindel so wie der türkische Vertreter Servet Yardimci nicht stimmberechtigt. Da der Schwede Lars-Christer Olsson und möglicherweise auch der Italiener Andrea Agnelli nicht anwesend sein werden, reduziert sich die Zahl der Wahlmänner auf 17 oder 16. Jedes Mitglied hat eine Stimme, die in geheimer Wahl abgegeben wird. Bei einem Patt entscheidet das Votum von UEFA-Präsident Aleksander Ceferin, der dem Vernehmen nach für Deutschland als EM-Gastgeber ist. Ceferin wird das Ergebnis am Donnerstag nicht vor 14.45 Uhr bekanntgeben.

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