Ganz egal, ob Dani Olmo (23), Mikel Oyarzabal (24), Ferrán Torres (21), Rodri (25) oder der erst 18-jährige Pedri – die Spanier haben bei dieser Europameisterschaft ein Team aufgeboten, das Zukunft hat und das Potenzial, wieder große Titel zu gewinnen. Bei der nächsten Endrunde, der WM 2022 in Katar, werden selbst Routiniers wie Kapitän Jordi Alba (32) oder César Azpilicueta (31) noch frisch genug sein.
Und diese Generation hat gezeigt, dass sie imstande ist, zu lernen. Nicht immer im Laufe dieses Turniers haben die Spanier so überzeugt wie in diesem Halbfinale gegen die bis dahin für viele Experten favorisierten Italiener. Die Qualität, sich im Laufe eines solchen Turniers zu steigern, hatte man einst den Deutschen als die für sie typische Tugend nachgesagt.
Nicht nur optisch, sondern auch in Zahlen hatte die Leistung der Furia Roja am Dienstagabend einiges zu bieten. Ein Auszug gefällig?
Ballbesitz schießt keine Tore, klar. 69 Prozent wie in den 120 Minuten im Wembley-Stadion können Gegner allerdings zermürben und führen in vielen Fällen auch zum Erfolg. 883 Pässe spielten die Spanier und brachten 89 Prozent davon auch an den Mann. Herausragend agierte diesbezüglich Pedri: Der 18-Jährige spielte 64 von 65 Pässen zum Mitspieler – 98 Prozent. Bei den Italienern waren es insgesamt im Vergleich dazu „nur“ 78 Prozent bei lediglich 385 Pässen.
Die spielerische Dominanz mündete auch in einem klaren Plus an großen Chancen. Beim aussagekräftigen Wert an „Expected Goals“, einer Kennzahl, die anhand der Distanz der Schüsse, des Winkels sowie der übrigen Verteidiger zwischen Ball und Tor berechnet wird und damit die Qualität der Torchancen ausdrückt, lagen die Spanier mit 1,53 klar vor den Italienern (0,77).
Auch bei den puren Schüssen (15:7) an sich lagen die Spanier voran, und das positive Verhältnis an Rückeroberungen des Balles (81:72) belegt auch, wie herzhaft die Mannschaft von Luis Enrique nach Ballverlusten ins Gegenpressing ging an diesem Abend.
Angesichts der Spielidee des spanischen Fußballs, die darauf ausgelegt ist, die Gegner mittels Dominanz müde zu spielen, muss man sagen: Der Weg des Teamchefs stimmt. Am Ziel ist man freilich noch nicht. Warum es trotz der Überlegenheit in vielen Punkten nicht gelungen ist, in 120 Minuten ein Tor mehr zu schießen als der Gegner, könnte sich aus einer anderen Statistik herauslesen lassen. Nur drei der 15 spanischen Schüsse – also mickrige 20 Prozent – gingen auch aufs Tor. Eine schwache Ausbeute, die mitunter auch mit der Auswahl des Personals zu tun gehabt haben dürfte.
Luis Enrique setzte gegen die Italiener auf ein System mit einer falschen Neun, also ohne echte Sturmspitze, dafür aber mit sechs Mittelfeldspielern in einer Art 4-6-0-Formation. Selbst Álvaro Morata agierte nach seiner Einwechslung meist hängend im Mittelfeld, von wo aus er auch selbst seinen Treffer zum 1:1 einleiten konnte.
In Bezug auf den Mangel an echten und gelernten Mittelstürmern, bzw. auch deren Positionierung auf dem Feld, ergibt sich vermutlich auch die fehlende Präzision bei den durchaus vorhandenen Torschüssen. Schon in den beiden K.-o.-Spielen zuvor gegen die Schweiz und Kroatien brachten die Spanier nicht mehr als 39 Prozent ihrer Schüsse aufs Tor. Im Vergleich dazu waren die Italiener im Halbfinale mit 57 Prozent deutlich konkreter.
Ein spanisches Manko, an dem es bis zur WM 2022 in Katar zu feilen gilt.
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