Rangnick nach ÖFB-Sieg: "Wir müssen auf uns aufpassen“

World Cup - European Qualifiers - Group H - San Marino v Austria
Über Fußball wollte nach dem 4:0-Sieg in San Marino niemand wirklich sprechen.

Das 4:0 von San Marino in der WM-Qualifikation konnte am Dienstagabend niemand bejubeln. Auch Doppeltorschütze Marko Arnautovic wollte das Spiel nicht kommentieren. „Ich kann mich nicht freuen, ich will auch nicht darüber reden. Wir haben alle Kinder, wir haben alle Familien. Dieses Spiel interessiert mich überhaupt nicht.“ Er habe in der Früh von den Vorfällen aus Graz erfahren. "Ich habe nur Herzrasen und Mitleid. Ich weiß nicht, ob wir noch so safe sind auf dieser Welt."

Der Stürmer erzielte in San Marino seine Tore Nummer 40 und 41 für Österreich. Und das vor den Augen seiner beiden Töchter. "Ich bin überaus glücklich, dass sie hier waren. Aber mir fehlen einfach die Worte." Der 36-Jährige wollte deshalb auch gar kein Interview geben nach dem Spiel. "Ich tu es, weil ich es machen muss. Aber normalerweise sollte man heute gar nicht reden. Die Gedanken unserer ganzen Mannschaft sind in Graz."

Auch der Grazer Michael Gregoritsch war gefasst. "Es ist fürchterlich. Wir waren alle sehr sehr geschockt. Das ist zehn Minuten von mir daheim passiert, man kennt die Schule und es ist einfach eine fürchterliche Nachricht gewesen und stellt alles andere in den Schatten."

Er habe am Weg zum Spiel viel nachgedacht, so der Stürmer. "Diese Gemeinschaft, die wir haben, fühlt sich an wie eine Familie. Wir betonen auch immer wieder, dass wir eine große Familie sind. Wir haben das Privileg, für Österreich spielen zu dürfen. Wir haben heute die Verantwortung gehabt, unseren Job ausüben zu müssen und deshalb es auch so zu machen, dass wir sagen: Wir spielen für Graz, meine Heimatstadt. Das war vor allem am Anfang ein großer Antrieb."

Auch Teamchef Ralf Rangnick sei mit der Situation sehr rücksichtsvoll umgegangen, so Gregoritsch. "Das zeigt einfach, was wir für einen Anführer haben hier in der Gruppe und für einen Familienvater. Diese Gruppe ist besonders. Es war wichtig, dass wir für diese Stadt, für alle Opfer und Angehörigen trotzdem erfolgreich spielen."

"Ich möchte das Spiel nicht analysieren"

Teamchef Ralf Rangnick reagierte ähnlich. „Ich könnte das Spiel analysieren, aber ich möchte nicht. Es ist ein besonders tragischer Tag für Österreich, in einer Zeit, in der verrückte Sachen passieren auf der ganzen Welt. Es war wichtig, dass wir uns unserer Verantwortung bewusst waren. Es war wichtig, dass wir gespielt haben. Die Spieler haben das erste Halbzeit umgesetzt, es war unsere Antwort, die wir heute für das Land geben konnten.“

Die Vorkommnisse erinnerten ihn an den 11. März 2009. „Ich war Trainer in Hoffenheim, als der Amoklauf in Willingen geschah. Da gibt es einige Parallelen, auch damals handelte es sich um einen ehemaligen Schüler.“

Rangnick holte gedanklich aus und äußerte seine Sorge um die Welt und die Gesellschaften. „Wir müssen auf uns aufpassen, zusammenhalten. Es geht um Beziehungen, Vertrauen, Empathie. Jeder kann da seinen Beitrag leisten. Man muss den Pol der Liebe in den Vordergrund rücken. Denn wie verzweifelt muss jemand sein, dass er Menschen und sich selbst erschießt?“

Am Ende gestand Rangnick, dass er mit den zwei Siegen und dem Lehrgang zufrieden sei. Die Erkenntnisse werden dann in die Kader-Nominierung für die September-Spiele daheim gegen Zypern und in Bosnien-Herzegowina fließen. Zukunftsmusik, die Gegenwart ist traurig genug. „Es war einer der schwersten Tage für mich als Trainer.“

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