Sarah Zadrazil bereitet sich mit Bayern München auf die kommende Saison vor – allerdings mit einer Rumpftruppe, da einige Kolleginnen mit Deutschland noch bei der WM in Australien und Neuseeland im Einsatz sind.
Österreich ist bei dem Weltturnier nur in der Zuschauerrolle. Die 30-jährige Führungsspielerin im Nationalteam und in ihrem Klub spricht über die verpasste Chance, Ziele mit dem Team und den Titelhunger der Bayern.
KURIER: Wie sehr können Sie neben Ihrem Vorbereitungstraining auf die Saison die WM verfolgen?
Sarah Zadrazil: Ich habe kaum ein Spiel bisher komplett sehen können, da die meisten Matches am Vormittag sind, genau zu der Zeit haben wir jeden Tag Training. Aber die Partien laufen bei uns in der Kabine, im Raum der Physiotherapeuten oder im Gym nebenbei im Fernsehen.
Welchen Eindruck konnten Sie beim Seitenblick bisher erhaschen?
Dass zum Beispiel die vermeintlich Kleineren gut mithalten und, wie Jamaika mit dem 0:0 gegen Frankreich, durchaus überraschen können. Aber auch Haiti war beim 0:1 gegen England konkurrenzfähig, oder die Philippinen mit dem Sieg über Neuseeland. Manche Große hatten Probleme, manche Favoriten wie Japan und Brasilien zeigten sich souverän.
Und Deutschland?
Der Auftaktsieg war überzeugend, ich kann aber schwer einschätzen, wie aussagekräftig er ist.
Bei Deutschland war es in der Vorbereitung nicht rund gelaufen. Sie kennen die Spielerinnen – was trauen Sie dem Team zu?
Für Deutschland ist sehr viel möglich, aber das gilt auch für einige andere Nationen. So ein Turnier lebt dann von der K.o.-Runde mit den 50:50-Spielen. Da kann Deutschland weit kommen, es kann aber auch im Viertelfinale Schluss sein. Ich bin schon oft nach meinem WM-Tipp gefragt worden. Da ich es nicht weiß, habe ich jedes Mal eine andere Nation genannt.
Umgekehrt gefragt: Wer wird fix nicht Weltmeister?
Das ist leichter zu beantworten (lacht). Aber Japan und Brasilien sind für mich schon im Blickpunkt. Cool wäre es, wenn Australien im eigenen Land etwas gelingen könnte. Die USA sind stark, haben gute junge Spielerinnen neben den Routiniers. Und England muss man als regierende Europameisterinnen auch berücksichtigen.
Die 30-Jährige startete ihre Karriere bei Hof, über Bergheim und Washington gelangte sie zu Turbine Potsdam. Seit 2020 spielt sie für Bayern München. Für Österreich absolvierte sie 109 Länderspiele, erzielte 15 Tore. Sie nahm an der EM 2017 und 2021 teil.
2017 holte sie nach dem EM-Erfolg gemeinsam mit dem Nationalteam den Titel als Mannschaft des Jahres. Zadrazil holte mit den Bayern 2021 und 2023 den Titel. Bayern gewann bisher vier Meistertitel, den Rekord halten Frankfurt und Wolfsburg (7).
Eine WM ist wie eine Messe – da gibt es oft Neuigkeiten. Auch diesmal?
Neu ist vielleicht, dass alles sichtbar zusammengerückt ist. Das war schon letztes Jahr bei der EM zu beobachten. Vor einigen Jahren haben die USA noch zweistellig gewonnen, das sieht man heute nur noch selten.
Wie sehr fiebern Sie mit den Bayern-Kolleginnen bei der WM mit?
Ich stehe schon regelmäßig in Kontakt, vor allem mit Lina Magull und Georgia Stanway von England, mit denen ich eng befreundet bin. Wir sind im Austausch.
Wie sehr schmerzt das Zuschauen?
Es tut immer noch weh wegen dieser verpassten Chance. Wir hätten uns gerne auf der Weltbühne präsentiert. Ich hoffe, das war für den Frauenfußball in Österreich kein Dämpfer.
Im Nationalteam gab es zuletzt einen Umbruch. Wo steht die ÖFB-Auswahl?
Mit Carina Wenninger ist die Kapitänin zurückgetreten, für uns ein schwerer Verlust auf dem Platz und auch abseits. Nun müssen andere in diese Rolle schlüpfen. Die kommende Nations League wird für uns eine Standortbestimmung mit den Spielen gegen Frankreich, Portugal und Norwegen, die bei der WM dabei sind. Wir wünschen uns immer Spiele gegen Top-Nationen. Toll, dass wir gegen Frankreich in der Generali Arena spielen. Jetzt hoffe ich, dass die Bude voll wird.
Sind solche Dinge ein Zeichen der Entwicklung?
Ja, und ein Zeichen der Wertschätzung. Aber wenn man in andere Länder schaut, dann war das bei uns höchst an der Zeit. Wr. Neustadt als Heimspielort ist gut, aber nicht optimal.
Bei Bayern werden immer Titel gefordert. Welche Ziele verfolgt man in München kommende Saison?
Da nur ein Teil der Mannschaft in München aktuell trainiert, haben wir noch nicht über die konkreten Ziele gesprochen. Ich denke, dass der Kader stärker geworden ist. Und bei Bayern geht es immer um Titel, sei es national wie international. Ich kann mir eine Saison ohne Champions League gar nicht mehr vorstellen, mit den englischen Wochen im Herbst und Spielen in großen Stadien.
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