ÖFB-Teamspieler Friedl über WM: "Das hätten wir auch draufgehabt"

Das Schlagerspiel in Gruppe G zwischen Brasilien und der Schweiz ist längst angepfiffen, doch Marco Friedl steht gerade nicht der Sinn nach Fußball. Hier im Zillertal ist die WM in Katar weit weg, als die erste Partie des Tages lief, war der Kapitän von Werder Bremen auf der Skipiste unterwegs.

Marco Friedl stattete den ZillerSeasons einen Besuch ab, wo Werder Bremen traditionell seine Sommertrainingslager abhält
Jetzt am späten Nachmittag sitzt er mit Kollegen in der Lobby des Posthotel Zell am Ziller, wo der Traditionsverein traditionell während seines Sommertrainingslagers logiert, und spielt in aller Ruhe Karten.
KURIER: Es erweckt fast den Eindruck, dass sich Ihr Leben gerade nicht um die Fußball-WM dreht.
Marco Friedl: Grundsätzlich verfolge ich die WM-Partien schon. Allein schon deshalb, weil auch zwei Spieler des SV Werder dabei waren. Aber richtig vor dem Fernseher sitze ich nur am Abend. Ich richte meinen Tag jedenfalls nicht nach den WM-Partien aus. Wenn ich wie heute untertags etwas zu erledigen habe und für den Verein unterwegs bin, dann hat das Priorität.
Verfolgen Sie als Profi ein Fußballspiel mit anderen Augen als ein Otto-Normal-Fan?
Ich weiß nicht, wie jemand ein Match ansieht, der kein Fußballprofi ist. Wahrscheinlich fallen mir andere Details auf. Bei mir ist es schon so, dass ich speziell auf die Spieler achte, die auf meiner Position spielen. Wie sie sich verhalten, wie sie Spielsituationen lösen, wie sie Angriffe einschätzen. Da habe ich sicher eine andere Sichtweise.
Also ist ein Match für Sie auch eine Art Lernstunde? Ich bin der Meinung, dass man sich überall etwas abschauen kann. Vor allem bei einer WM, wenn sich Spieler auf Toplevel treffen.

Marco Friedl nützte die Reise ins Zillertal, auch für einen Abstecher auf die Skipiste
Ist Ihnen bei dieser WM bisher etwas besonders ins Auge gestochen?
Es gibt einige Ergebnisse, mit denen man so nicht wirklich rechnen konnte. Ich habe den Eindruck, dass im Moment wirklich jeder jeden schlagen kann. Nehmen wir Brasilien und Frankreich vielleicht raus, das sind meine beiden Favoriten. Auffallend ist für mich die Qualität der Teams aus Afrika und Asien, diese Mannschaften haben sich extrem weiterentwickelt. Es fällt bei diesem Turnier praktisch kein Team ab.
Sind für Sie irgendwelche Trends erkennbar?
Richtige Trends würde ich nicht sagen. Was mir aber aufgefallen ist: Die Leidenschaft und der Wille für sein Land zu spielen, ist bei der Weltmeisterschaft noch mehr ausgeprägt. Das kommt anders rüber als zum Beispiel in Spielen der Nations League.

Woran kann das liegen?
Das hat gar nichts damit zu tun, dass die Mannschaften sonst vielleicht weniger motiviert wären. Du bist immer motiviert, wenn du für dein Nationalteam spielen darfst. Aber eine WM ist halt doch noch einmal etwas anderes, eine Nummer größer. Die WM übt auch auf mich eine enorme Faszination aus. Trotz aller Begleitumstände.
Wie oft ist Ihnen in den letzten Tagen durch den Kopf gegangen: Da könnte jetzt ich auch mit dem österreichischen Team dabei sein.
Klar denkt man sich: Das hätten wir auch draufgehabt, wir könnten genauso gut dabei sein. Es wäre sicher möglich gewesen, dass wir uns qualifizieren. Das ist mein großes Ziel als Teamspieler. Ich möchte einmal mit Österreich bei einer WM spielen. Ich durfte bei der jüngsten Europameisterschaft dabei sein, das waren unvergessliche Momente.
Muss es der Anspruch der österreichischen Nationalmannschaft sein, bei einer Endrunde dabei zu sein?
Natürlich. Da gibt es für mich keine zwei Meinungen. Wir waren zwar selten bei Endrunden, aber unsere Nationalmannschaft hat so viel Qualität, unsere Spieler sind bei Topklubs unter Vertrag – ich finde schon, dass wir immer dabei sein sollten. Und die nächste WM wäre richtig cool. Kanada und die USA sind zwei Länder, in denen sich immer mehr Leute für den Fußball interessieren.
Kommen wir zu Ihnen: Sie sind mit 24 der Kapitän des SV Werder. Was bedeutet Ihnen das? Ich empfinde es als Riesenehre, dass mich die Mannschaft im Sommer zum Kapitän gewählt hat. Das spricht auch für mich und die Art, wie ich mich gebe. Ich bin einer, der auf und neben dem Platz Verantwortung übernehmen will. Ich bin wirklich stolz, dass ich die Mannschaft anführen darf.
Was bei Ihnen auffällt: Sie leben seit Ihrem zehnten Lebensjahr in Deutschland. Trotzdem reden Sie noch immer im Tiroler Dialekt.
Ich habe mich natürlich in den vielen Jahren ein wenig angepasst, aber ich habe meinen Dialekt schon noch drinnen. Ich verstelle mich auch nicht, und keine Angst: Die Mitspieler verstehen mich auch, wenn ich nicht Hochdeutsch spreche.
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