Warum das Wettbieten um Manchester United so brisant ist

"Glazers out!" Wenn es für United schlecht läuft, greifen die Anhänger von Manchester United zu negativen Fangesängen über die Klubbesitzer. Das ist nichts Ungewöhnliches im Fußball. Doch auch, wenn es gut läuft, haben die Fans nicht viel für die Besitzer-Familie Glazer übrig. Nach knapp 20 Jahren kündigte die Familie nun an, sich zurückziehen zu wollen. Doch mittlerweile sind große Zweifel aufgekommen, dass dies auch wirklich passiert. Rund 150 Tage sind seit der Ankündigung vergangen. Eine unbekannte Anzahl an Angeboten später haben die Glazers immer noch nicht verkauft.
Dass der Traditionsklub Manchester United verkauft werden soll, beschäftigt nicht nur die Stadt im Nordwesten Englands. Und bei Weitem nicht nur die Fans des Vereins, die seit 2013 auf einen Meistertitel warten und endlich wieder glorreiche Tage der Red Devils sehen wollen. Aus der Ausschreibung des Rekordmeisters ist in den vergangenen 150 Tagen ein regelrechter Kampf geworden. Was sind die Hintergründe des Verkaufs? Der KURIER beantwortet die wichtigsten Fragen:
Wem gehört Manchester United derzeit?
Besitzerin des Klubs ist die Glazer-Familie, deren Vater Malcolm 2003 eingestiegen ist. Später wurde man mit 98 Prozent zum quasi einzigen Besitzer. Nach Malcolm Glazers Tod 2014 teilten sich seine Kinder die Anteile auf: Joel ist mit 19,11 Prozent der größte Anteilseigner. Darcie, seine Schwester, hält 18,15 %, Bryan 17,23 %, Avram 14,38 %, Kevin 13,77 % und Edward 12,99 %.
Wieso sind die Glazers so unbeliebt?
Seit der Übernahme gibt es immer größer werdende Fangruppen, die vor allem kritisierten, dass die Glazers United über Nacht mit Hunderten Millionen verschuldeten. Denn Malcolm Glazer hat kein Eigenkapital für den Kauf verwendet, sondern Darlehen, die zig Millionen an Zinsen verursachen - die wiederum vom Verein und von dessen Fans (Ticketpreise) gezahlt werden müssen. Zwar wurde Geld in Spieler investiert, aber selten wurde der große Wurf gelandet.
Warum wollen die Glazers den Klub verkaufen?
Vor allem wegen der immer noch hohen Schulden. Mit dem (vorläufigen) Scheitern der vor zwei Jahren geplanten Super League, in deren Entstehung Joel Glazer eine entscheidende Rolle spielte, schien die letzte Hoffnung auf Geldflüsse verloren. Außerdem muss das Old Trafford Stadion demnächst renoviert, wenn nicht sogar neu gebaut werden. Wohl eine Milliardeninvestition. Ein Verkauf schien also – zumindest für einige der Glazer-Geschwister – der beste Weg raus. Es wird angenommen, dass Joel und Avram ihre Anteile behalten wollen, wenn eine Finanzierung gefunden werden kann.
Welche Angebote liegen auf dem Tisch?
Die Bieter haben bis zum 28. April Zeit, ein drittes Gebot für Manchester United abzugeben. Die prominentesten:
Sir Jim Ratcliffe, einer der reichsten Menschen Großbritanniens, möchte eine Mehrheitsbeteiligung kaufen, hat aber gesagt, dass er sich im Rahmen eines jeden Deals einen Kredit leihen würde.
Sheikh Jassim bin Hamad Al Thani, katarischer Banker, und Sohn des früheren Premierministers, will über seine Nine Two Foundation ganz United erwerben. Die Krux: Es wird vermutet, dass hinter dem Angebot ein staatlicher Bieter steht, nämlich Katar. Beide Angebote liegen bei gut 5 Mrd. Euro. Der Finne Thomas Zilliacus, Vorsitzender von „XXI Century Capital“ hat seinen Plan einer teils durch Fans finanzierten Übernahme mittlerweile verworfen. Grund: Die Glazers haben eine nächste Auktionsrunde ausgerufen.
Die im März in die „Auktion“ eingestiegene Investment-Firma Elliott hingegen will den Klub nicht kaufen, sondern die Glazers dabei finanzieren, den Klub zu renovieren.
Warum zieht sich das Verfahren so?
Die Glazers sollen umgerechnet 6,7 Milliarden Euro als Kaufpreis aufgerufen haben – das bedeutet, dass Katar und Ratcliffe mehr bieten müssten. Entweder die Angebote waren noch nicht hoch genug, oder die Glazer-Familienmitglieder sind sich nicht einig, oder – was jetzt viele Fans befürchten – manche der Glazers (Joel und Avram), sehen vielleicht eine Möglichkeit, doch noch Teilbesitzer zu bleiben. Bei dieser „Versteigerung“ besteht allerdings die Gefahr, dass ein Bieter aussteigt. Am Ende könnte der Klub weniger wert sein als am Anfang des Prozesses.
Wie schlägt sich dies auf das Sportliche nieder?
Die Unsicherheit ist vor allem für die Planung der nächsten Saison schwierig. Das Sommertransferfenster nähert sich und da wird es nicht nur darum gehen, ob Marcel Sabitzer über die Leihe hinaus in Manchester bleibt, sondern auch, ob um ihn herum von Trainer Erik ten Hag ein wettbewerbsfähiges Team kreiert werden kann. Man muss nicht nur aufpassen, dass man die Leistungsträger nicht verliert – auch der Trainer hat bereits Angebote.
Warum ist es so wichtig, wem Manchester United gehört?
Faisal Islam ist BBC-wirtschafts-Journalist und United-Abobesitzer. Im Podcast „How to buy a football club“ über die Brisanz sed (möglichen) Verkaufs sagte er: „Es betrifft die Fans, aber auch den Fußball an sich, und im Grunde ganz England. Denn es geht darum, wie Fußball, der Nationalsport, betrieben wird. Und von wem diese nationale Institution gesteuert wird.“ Das alles stehe symbolisch für eine größere Frage: Wem gehört Großbritannien?
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