Ghana gegen Uruguay: Auf den Spuren des ghanaischen WM-Traumas

Ghana gegen Uruguay: Auf den Spuren des ghanaischen WM-Traumas
Das WM-Viertelfinale von 2010 wiederholt sich als entscheidendes Gruppenspiel. Ganz Ghana hofft, dass die Black Stars Luis Suárez heimschicken.

Es hätte der historisch größte Fußball-Erfolg der Black Stars werden sollen. In der 120. Minute im Viertelfinale der ersten WM in Afrika war der Ball so gut wie schon im Tor von Uruguay gelandet – wäre da nicht Luis Suárez’ Hand gewesen. Der Stürmerstar bekam die Rote Karte, Ghana einen Elfmeter und ganz Afrika hielt den Atem an, schließlich ging es um den ersten WM-Semifinaleinzug eines afrikanischen Teams: Ghanas Rekordnationalspieler und -torschütze Asamoah Gyan trat an – traf aber nur die Latte. Für einen Moment verstummten die Vuvuzelas. Das folgende Elfmeterschießen verloren die Afrikaner. Der Traum geplatzt.

Asamoah Gyan spielte noch elf Jahre Fußball. Seit einem Jahr hat er keinen Verein mehr. Doch als im April Ghana für die WM in Katar in eine Gruppe mit Uruguay gelost wurde, begann es in Gyans Füßen wieder zu kribbeln. War es vielleicht doch nicht zu spät für eine Revanche? Lokale Sportmedien berichteten, dass der 37-jährige Goalgetter, der sich inzwischen auch als Musiker einen Namen gemacht hatte, fit für das große Turnier werden wolle. Mit Uruguay – und insbesondere mit Luis Suárez – habe man noch eine Rechnung offen.

Der KURIER begab sich in Ghana auf die Spuren des tragischen Helden der Afrika-WM von 2010.

Fußball und Staub

Solche Spuren gibt es auf dem Staubfußballfeld beim Youth Center von Jamestown. In diesem Viertel ist Ghanas Hauptstadt Accra eng und alt, das Leben findet auf der Straße statt. Für die Kinder gibt es Sportklubs, sie sollen gar nicht erst auf dumme Ideen kommen. Ein Boxverein hier, ein Staubplatz da, auf den zwei ganze Fußballfelder passen würden. Lässt man den Namen Asamoah Gyan fallen, johlen Hunderte Kinder und Jugendliche.

Ein Mann beruhigt sie und stellt sich vor: Sein Name sei Nimama, er bietet hier in Jamestown Walking Tours an und berichtet stolz: „Gyan hat hier gespielt. Es gab eine lokale Liga kleiner Bezirksteams, seines war dabei. Als er berühmt wurde, kam er noch immer, wie andere Stars – immer donnerstags, wir nannten sie die Donnerstag-Stars.“ Und sie spielten mit den Kindern im Staub.

Ghana gegen Uruguay: Auf den Spuren des ghanaischen WM-Traumas

Nimama vor einem typischen Staubfußballfeld in Accra

Gyan wurde jung zum Star: Drei Tage vor seinem 18. Geburtstag debütierte er in Ghanas stolzem Nationalteam. Seinen Namen quittieren die Menschen in Jamestown mit den Worten fantastisch, gesegnet, schnell wie kein anderer, bester Dribbler ... aber auf die Frage, ob er in Katar spielen soll, hört man oft nur ehrerbietendes Schweigen.

Ghana gegen Uruguay: Auf den Spuren des ghanaischen WM-Traumas

Isaac: "Jede Zeit hat ihren Star"

Auch auf dem Unabhängigkeitsplatz neben dem großen Triumphbogen, auf dem „Freedom and Justice“ steht und der schwarze Stern Ghanas prangt, fachsimpelt man über die Black Stars. Tourguide Isaac sagt, was viele sagen: „Gyan war zu Recht einer der verehrtesten Spieler, aber jede Zeit hatte ihren Star, man kann die nicht vergleichen. Und jetzt soll er seine jüngeren Brüder spielen lassen.“ Brüder im Sinne von Mitstreiter.

Ein Souvenirverkäufer mit zwei Strohhüten auf dem Kopf und fünfzig Holzperlenbändern am Arm hört das und wird laut, wie in Ghana üblich aber mit Lachen auf den Lippen: „Asamoah ist nicht nur der beste Spieler Ghanas, sonders Afrikas. Er sollte sehr wohl spielen. Er ist noch immer schnell.“ In die Diskussion steigt noch der Wächter am Unabhängigkeitsmonument ein, ein Sonnenbrillenträger, der sich selbst „Black Lion“ nennt und Gyan auch für zu alt hält. „Er sollte lieber die Jungen anweisen, wie es geht.“

Ghana vs. Uruguay - Ein nationales Trauma

Voodoo und Helden

Diesen Satz hört man fast immer, vom Strandbudenbesitzer Jamahl im Bob-Marley-Look an der Surferküste bis zum Sozialarbeiter Kofi im Dorf an Ghanas höchstem Berg: super Typ, toller Kicker, soll mitfahren und unterstützen, aber bitte eher nicht mehr spielen. Manche fügen noch hinzu, wie viel Gyan auch jetzt noch tut, er investiert Geld in Ghana, von Boxevents bis Musik, und zuletzt überlegte er sogar, eine kleine Fluglinie aufzumachen. War Held, ist Held, bleibt Held.

Ghana gegen Uruguay: Auf den Spuren des ghanaischen WM-Traumas

Der Voodoo-Priester glaubt an Tore von Gyan

Nur einer sieht das alles anders: Der Voodoopriester in einem Küstendorf nahe der Mündung des Voltaflusses ist sich sicher: „Gyan ist der Allerbeste aller Zeiten. Natürlich soll er spielen.“ Ghana sei nämlich bereit für die ganz große Überraschung. Und die Tore wird alle Gyan schießen. Sagt der Voodoopriester.

Neue Generation

Doch Asamoah Gyan spielt in Katar nicht. Die Stafette ist längst an eine neue Generation weitergegeben worden. Etwa an Arsenal-Star Thomas Partey, Iñaki Williams von Athletic Bilbao oder den 22-jährigen Youngster Mohammed Kudus von Ajax Amsterdam, der bereits mit zwei Toren und einer Vorlage von sich reden gemacht hat.

Ghana, glaube er, habe Suárez nicht vergeben, sagt Kapitän André Ayew – der Einzige, der vom 2010er-Team heuer noch dabei ist. Jeder wisse, wie es sich damals angefühlt hat. Doch das Team sei mental mittlerweile weiter und suche keine Revanche: „Wir wollen einfach aufsteigen.“

Kommentare