Zeit zu gehen? Blaszczykowski-Einberufung empört Polen

Jakub Blaszczykowski will weiterhin eine wichtige Stütze Polens sein.
Jakub Błaszczykowskis Einberufung gegen Österreich sorgt für Kritik an Teamchef Brzęczek, der sein Onkel und enger Vertrauter ist.

Jakub Błaszczykowski ist ein Dauerbrenner in der polnischen Nationalmannschaft. Wenn am 21. März Österreichs Nationalteam zum EM-Qualifikationsauftakt Polen im Happel-Stadion empfängt, ist es nicht unwahrscheinlich, dass der Flügelspieler zum Einsatz kommen wird.  

Seit 2006 trägt "Kuba" das Trikot mit dem weißen Adler, mit 105 Länderspielen ist er Rekordnationalspieler. Nach seiner Ausbootung bei Borussia Dortmund vor vier Jahren folgten durchwachsene Jahre in Florenz und Wolfsburg. Während dieser Zeit spielte er im Nationalteam trotzdem eine gewichtige Rolle. Die dürfte er weiterhin innehaben, obwohl er in der Nations League, in der Polen dürftige Vorstellungen gegen Italien und Portugal lieferte und aus der Gruppe A abstieg, weit von seiner Bestform entfernt war.

Fels in der Brandung

Nicht wenige Fans und Experten sehen in Coach und Onkel Brzęczek den Grund für seine Nominierungen und Einsätze. Das Onlineportal Weszło stellte die Frage: „Was tun, wenn Kuba so unschön altert?“, Tormannlegende Jerzy Dudek suggerierte, dass ein anderer Teamcoach den 33-Jährigen nicht einberufen würde, Tomasz Hajto, ehemaliger Verteidiger bei Schalke 04, sähe Błaszczykowski eher im Betreuerstab als Brücke zur Mannschaft, anstatt auf dem Rasen.

Mit seinem Onkel hat Błaszczykowski seit seiner Kindheit eine enge Bindung. Im Alter von zehn Jahren bekam "Kuba" mit, wie sein Vater die Mutter erstach. Nach dem Tod seiner Mutter spielte der traumatisierte Junge nicht mehr Fußball, zog sich immer mehr zurück. Nach einigen Monaten nahm Brzęczek, damals in Österreich bei Tirol Innsbruck aktiv, seinen Neffen zu einem Sichtungsturnier mit, motivierte ihn zum Weitermachen: „Hast du gesehen, was du kannst? Und wie gut du sein könntest, wenn du regelmäßig trainierst?“

Kuba trotzt dem Kapitalismus

In einem Interview mit dem Przegląd Sportowy, Polens ältester Sportzeitung, erinnert sich der 47-Jährige an die Tragödie: „Ich werde diesen Abend nie vergessen. Nach 22 Uhr habe ich die Nachricht erhalten und musste sie an weitere Familienmitglieder weiterleiten.“ Brzeczek trug ein jahrelanges Trauma davon, jeder Anruf nach 22 Uhr erweckte in ihm Angst. „Ich habe den Hörer abgehoben, in Sorge, was passiert sein könnte.“ Brzeczek fuhr nach der Hiobsbotschaft umgehend in sein Heimatdorf Truskolasy und bat Trainer und Manager, der Öffentlichkeit mitzuteilen, dass seine Schwester in einem Unfall umkam: „Ich wollte nicht, dass die österreichische Presse schrieb, wie meine Schwester aus dem Leben geschieden ist.“

Brzęczek kümmerte sich trotz geographischer Distanz, er spielte insgesamt elf Jahre in Österreich, um die Karriere seines Neffen. Bei wichtigen Entscheidungen, wie den Wechseln zu Wisla Krakau und Borussia Dortmund, stand er beratend zur Seite. Blaszczykowskis Laufbahn nahm Fahrt auf, er wurde zum internationalen Star. 

Nun polarisiert die Frage, ob der EM-und WM-Teilnehmer weiterhin von seinem Onkel einberufen werden sollte. Um Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, entschloss sich der zweifache deutsche Meister zur Rückkehr nach Krakau – dort wo ihm vor Jahren der Durchbruch gelang.

Empfangen wurde er in Polens zweitgrößter Stadt als Messias. Wisła ist in finanzielle Schieflage geraten, eine Finanzspritze von Błaszczykowski und zwei Investoren sicherte das vorzeitige Überleben des Traditionsklubs in der Ekstraklasa und wandte einen Zwangsabstieg in die sportliche Bedeutungslosigkeit ab. Fußballromantiker rechnen ihm den Schritt hoch an, auch weil er von seinem Gehalt, eine symbolische Summe von umgerechnet 116 Euro, Tickets für Waisenkinder kauft.

Alternd und alternativlos?  

In der höchsten Spielklasse läuft es für den Rückkehrer nicht nach Plan, bisher setzte er nicht viele sportliche Glanzlichter. Das Debüt bei Rekordmeister Górnik Zabrze ging 0:1 verloren, das erste Spiel vor heimischer Kulisse wurde gegen Slask Wroclaw nach seinem Elfmetertor gewonnen, in den folgenden beiden Partien setzte es Niederlagen. Die persönlichen Statistiken sprachen nach vier Spielen eine deutliche Sprache – gegen ihn: nur sieben erfolgreiche Dribblings, ein Torschuss, kein Assist, weniger als die Hälfte gewonnener Zweikämpfe. Am vergangenen Samstag leiteten die Südpolen eventuell eine Trendwende ein. Sie fertigten auswärts Korona Kielce 6:2 ab, Błaszczykowski steuerte einen Treffer bei. 

Der Flügelflitzer, in dem Jürgen Klopp bei Borussia Dortmund einen idealen Spieler für seine Vorstellung von Powerfußball fand, scheint sich langsam wieder an die Ekstraklasa zu gewöhnen - und dürfte, ob in Form oder nicht, auch in naher Zukunft für Trainer Brzęczek alternativlos sein. Von den Flügelspielern im Ausland liefert nur Kamil Grosicki vom Championship-Klub Hull City ansprechende Leistungen (drei Tore, fünf Assists). Andere Kandidaten wie Przemysław Frankowski von Chicago Fire und Rafał Kurzawa von Midtjylland setzen die ersten Schritte in neuen Ligen oder spielen in ihren Klubs keine wichtigen Rollen. 

In der Ekstraklasa gibt es ebenfalls keine Qual der Wahl. Von sieben Spielern, die zusammengerechnet auf über zehn Vorlagen und Tore kommen, ist nur Bartłomiej Pawłowski Pole. Somit spricht vieles dafür, dass die österreichischen Fans am 21. März im Happel-Oval den polnischen Rekordnationalspieler auf dem Spielfeld sehen werden.

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