Weshalb man Daten im Fußball mit Vorsicht genießen sollte

Harry Kane schießt den Ball während eines Fußballspiels.
Mit Daten lassen sich Leistungen von Fußball-Teams erklären und beurteilen. Doch als ultimative Wahrheit sollten sie nicht angesehen werden.
Dominik Thalhammer

Dominik Thalhammer

Im Jahr 2021 versuchte ich als Trainer des LASK, unsere positive Entwicklung durch starke Expected Goals (xG)-Werte zu untermauern. Ein Fehler, wie sich zeigte, die Journalisten waren perplex und konnten wenig mit diesen Zahlen anfangen. Monate später, während einer schwächeren Phase, wurde mir vorgehalten, dass es nicht um Statistiken, sondern um Menschen und Emotionen gehe.

Im Nachhinein würde ich anderen Trainern raten, das Thema Daten und xG zurückhaltender zu kommunizieren. Inzwischen sind xG-Werte im Fußball-Mainstream angekommen – auch in Linz. Nach jedem Spiel werden sie präsent. Es geht darum, nachvollziehbar zu analysieren, wer besser war.

In Zeiten häufiger Trainerentlassungen können solche Kennzahlen helfen, Leistungen objektiver zu beurteilen. Der xG-Wert ermittelt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Abschluss zum Tor führt, indem er auf Daten aus Tausenden ähnlicher Abschlüsse aus der Vergangenheit zurückgreift. Dabei fließen Faktoren wie die Distanz zum Tor, der Schusswinkel, die Geschwindigkeit des Spielers sowie der Druck, unter dem er schießt, in die Berechnung ein. Ein xG von 0,25 bedeutet, dass statistisch betrachtet 25 von 100 Schüssen aus dieser Position ein Tor erzielen.

Weitschüsse, ein probates Mittel?

Ein gängiger Mythos ist die Forderung von Experten nach mehr Distanzschüssen. Doch Distanzschüsse aus etwa 20 Metern und seitlicher Position haben in etwa einen xG-Wert von nur 0,02. Das bedeutet, dass nur zwei von 100 Schüssen aus dieser Entfernung im Tor landen. Würden Sie ihren Spielern raten, Weitschüsse zu versuchen? Oder würden Sie strategischere Überlegungen anstellen, um Ihre Spieler in bessere Positionen zu bringen?

Individuelle Qualität

Trotz der Relevanz der xG-Werte ist Vorsicht geboten, denn sie stellen keineswegs die ultimative Wahrheit dar. Oft verliert ein Team mit einem hohen xG-Wert, wenn der Gegner effizienter agiert oder von individuellen Fehlern profitiert. Auch die Qualität des Schützen spielt eine entscheidende Rolle. Harry Kane etwa ist so gut im Torabschluss, dass er eine signifikant hohe Wahrscheinlichkeit hat, zu treffen – selbst wenn der xG-Wert geringer ist.

Auch der Spielstil eines Teams kann Einfluss auf die xG-Werte haben. Ballbesitzteams können tendenziell höhere xG-Werte aufweisen, wenn sie viele, aber weniger hochwertige Chancen, einschließlich zahlreicher Distanzschüsse, herausspielen. Im Gegensatz dazu erzielen Konterteams oft weniger Abschlüsse, können dabei aber oft qualitativ hochwertigere Chancen kreieren. Auch Glück und Zufall spielen mit.

Die wichtige Differenz 

Langfristig gesehen bieten xG-Werte wertvolle Einblicke, wie in der letzten Premier-League-Saison, wo die xG-Werte der Topteams und die der Absteiger zu den jeweiligen Tabellenplätzen passten. Deshalb muss man den xG-Wert im richtigen Kontext betrachten. Hervorzuheben ist die xG-Differenz. Sie gibt Aufschluss über die Fähigkeit eines Teams, gute Chancen zu kreieren und jene des Gegners zu minimieren.

Ein Beispiel ist Tottenham: Unter Ange Postecoglou schmolz die xG-Differenz deutlich, da man weniger Chancen generierte, während die Möglichkeiten für die Gegner zunahmen. Im Sommer 2025 wurde Postecoglou entlassen.

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