Demütig und überzeugt: Darum ist die Wiener Austria erfolgreich

Zwölf Spiele ungeschlagen, punktegleich mit Tabellenführer und Meister Sturm Graz, im ÖFB-Cup im Halbfinale und dabei gegen Hartberg Favorit. Rudi Nierlich hätte gesagt: Wenn’s laaft, dann laaft’s.
Und zwar für die Wiener Austria, die das 344. Wiener Derby gegen Rapid mit 2:1 für sich entscheiden konnte und die sich diesen sportlichen Lauf mit viel Geduld und Ausdauer auch redlich erarbeitet hat. Das sind die Gründe für den aktuellen Höhenflug der Violetten:
Mentalität
Der violette Derbysieg gegen Rapid war nicht nur ein Erfolg der Effizienz mit zwei Toren ohne echte Torchance in 90 Minuten, sondern auch einer des Willens. Sinnbildlich dafür steht Routinier Aleksandar Dragovic, der sich am Sonntagvormittag beim lockeren Training am Knöchel massiv verletzte, sich fitspritzen ließ und zudem noch Tabletten schluckte, um dieses Derby spielen zu können. So ein Verhalten reißt die Mitspieler mit: Es wird schwer, sich aus der Verantwortung zu stehlen.
Trainer Stephan Helm formuliert es so: „Wir haben uns eine Basis geschaffen, auf die wir uns immer zurückziehen können, wenn es nicht so läuft.“ Die Austria geriet in den letzten beiden Spielen gegen Sturm und Rapid insgesamt drei Mal in Rückstand, gab nie auf, wusste stets eine Antwort und kam zurück in die Partie. „Wir sind derzeit schwer zu schlagen“, meint auch Sportdirektor Manuel Ortlechner. „Dieser Zusammenhalt trägt uns.“ Helm: „Das zeugt von einer Überzeugung, weil wir nie die Struktur verlieren.“

Stabilität
Im Sommer begann Stephan Helm zwar nicht bei Null, aber mit einer Mannschaft, die sich erst finden und vor allem die Defensive stabilisieren musste. Das gelang vor allem mit der Verpflichtung von Dragovic. Zudem arbeitete Helm mit seinem Team Abläufe und Lösungen jeweils für das Spiel mit dem und gegen den Ball aus, was Schritt für Schritt, Woche für Woche besser umgesetzt wurde. Die Austria konnte dadurch auch einige ausgeglichene Spiele für sich entscheiden.
Neben Dragovic als Abwehrchef wuchsen auch Plavotic und Handl in ihren Leistungen und können dieses Niveau im Jahr 2025 bisher regelmäßig abrufen. Davon profitiert wiederum Außenbahnspieler Ranftl, der in einer funktionierenden Einheit besser zur Geltung kommt und Entscheidendes in den Spielen beiträgt. Derzeit greift eben eins ins andere.
Selbstverständnis
Die Überzeugung merkte man den Violetten im Derby vom Start weg an, mit Selbstvertrauen kombinierten sie, wenngleich sie daraus keine Torchancen kreieren konnten. Die Laufwege passten zumeist, gewagte Zuspiele fanden oft einen Abnehmer, im Spiel wurden überwiegend richtige Entscheidungen getroffen. Wer ein Derby mit 2:1 gewinnt, ohne eine echte Torchance vorzufinden, der verfügt über ein großes Selbstverständnis.

Realismus
Auf die Frage, ob die Austria in dieser Saison einen Titel holen könnte, antwortete Kapitän Manfred Fischer mit Ja. Zurecht, wenn man zwei Siege von einem Cupsieg entfernt ist. Allerdings verwiesen sämtliche Austrianer noch in den Katakomben der Generali Arena nach dem Derbysieg darauf, Demut als Tugend hochzuhalten. „Wir freuen uns, bleiben aber bescheiden“, meinte Ortlechner. Dragovic merkte an, dass nicht alles gut war. „Rapid hat uns die Grenzen aufgezeigt. Wir müssen abgebrühter werden.“ Realismus ist beim Fortschritt eine wichtige Zutat.
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