Was die Mutter eines Profi-Tormanns bei einem Spiel durchlebt

Willkommen auf dem FAC-Platz in Wien-Floridsdorf! Eine Stunde vor Spielbeginn bezieht Tanja Odehnal wieder einmal ihren Beobachtungsposten auf der Haupttribüne eines Zweitliga-Stadions, das mehr an einen Unterliga-Fußballplatz erinnert.
Und wieder einmal – wie immer in diesem Herbst – steht ihr Sohn Jakob in der Startelf der Blau-Weißen aus dem Norden von Wien. Genauer gesagt hechtet er zwischen den Torstangen in Richtung aller Bälle, die seine ebenso aufwärmenden Mitspieler auf das Tor ballern.

Ritter wurde er nicht
Erzählen hilft gegen innere Unruhe: „Wie er zum Gehen angefangen hat, ist er sofort einem Ball hinterher.“ Mit drei Jahren wollte Jakob Odehnal, Jahrgang 2001, Ritter werden. Aber nur kurz: „Danach war für ihn klar, dass er Profifußballer wird.“
Für seine Mutter heißt das: „Anstatt der Ausflüge, die ich gerne unternommen hätte, waren wir an jedem Wochenende auf einem anderen Fußballplatz, auch bei Regen oder 36 Grad Hitze, und das 15 Jahre lang.“
Begleitet wurde Tanja Odehnal, die zuvor wenig bis gar nichts mit Fußball am Hut hatte, von einer sie belastenden Frage: „Was, wenn aus dem Fußball nix wird?“
Gleich geht es hier los. Der Stadionsprecher ruft den Namen ihres Sohnes – so laut, dass man ihn auch noch in den Höfen der Wohnhäuser entlang der Hopfengasse vernehmen kann.
Unterschrieben hat sie
Der laut Aufgerufene betritt konzentriert das Spielfeld, seine Mutter applaudiert, sagt noch: „Ich hatte ja keine Ahnung, wie es im Fußball abläuft.“ Heute weiß Tanja Odehnal, wie es sich anfühlt, wenn man für seinen Sohn als die Erziehungsberechtigte nur wenige Tage nach dessen Matura dessen ersten Bundesliga-Vertrag unterfertigt, weil der noch nicht volljährig ist: „Das war in Altach, und ich war damals sehr stolz.“
Die Floridsdorfer sind ihren Gästen im heutigen Spiel wieder einmal ebenbürtig, ohne vor dem Tor allzu große Gefahr zu erzeugen. Nicht leicht für ihren Tormann: Er bekommt erst drei Minuten nach Wiederbeginn Arbeit – leichte Beute für ihn.
In Minute 70 fängt Jakob Odehnal einen weiteren einfachen Ball. Zwei Minuten später bereitet er mit einem weiten Abschlag den Führungstreffer seines Teams vor. FAC-Chefcoach Mitja Mörec spendet Applaus. Und Tanja Odehnal atmet tief durch.
„Ja, natürlich bin ich aufgeregt“, sagt eine Mutter, die ihren Sohn nach fünf Profijahren bei Altach und beim FC Dornbirn seit Juli zurück in Wien weiß. Auf einem Tormann laste sehr viel Verantwortung, ein Tormann sei auch im Spiel exponiert: „In Dornbirn haben sie ihm die Nase gebrochen. Er wurde minutenlang am Spielfeld behandelt. Ich musste alles im Fernsehen mitansehen.“
Heute geht alles gut aus. Ihr Sohn hat zu null gespielt. Vieles fühlt sich nach so einem Spiel richtig an. Er hat ein lukratives Angebot eines Liga-Konkurrenten des FAC ausgeschlagen, weil er sehr schnell bemerkt, dass ihn die Floridsdorfer unbedingt zu sich lotsen wollen. Es ist wohl eine gute Entscheidung: Im Herbst verpasst er kein Spiel in der zweiten Bundesliga.
Ein gutes Händchen
Sein Vertrag in Floridsdorf läuft bis Juni 2025. Dann beginnt erneut die Transferzeit. Auch deren Hektik kennt Tanja Odehnal mittlerweile ganz gut. Doch inzwischen weiß sie, dass ihr 23-Jähriger ein gutes Händchen hat, wenn er Entscheidungen für sich selbst zu treffen hat.
Die innere Ruhe der Yoga-Lehrerin kehrt jetzt zurück, auch beim Fotoshooting mit einem Tormann der Bundesliga. Und Fußballplätze mag sie inzwischen auch.
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