Ein Monat vor der WM: Wie steht es um die Gastarbeiter in Katar?

In genau einem Monat beginnt die bereits im Vorfeld heftig umstrittene Fußball-WM der Männer in Katar. Zur Erinnerung: Nicht nur die Vergabe, die 2010 allem Anschein nach unter Korruption stattgefunden hat, stand in der Kritik, auch mangelnde Meinungs- und Pressefreiheit, Frauen- und Minderheitenrechte und vor allem der Schutz der rund zwei Millionen im Land lebenden ausländischen Wanderarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer.
Zumindest im letztgenannten Bereich haben die mediale Aufmerksamkeit und Proteste dazu geführt, dass sich etwas gebessert hat. Mit Reformen des katarischen Arbeitssystems in den vergangenen fünf Jahren wurden vor allem folgende Punkte erreicht:
- Ein Gesetz zum Schutz der Gastarbeiter
- Beschwerdestellen für Arbeitnehmer
- Ein Fonds zur Entschädigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern für nicht bezahlte Löhne
- Die Möglichkeit für Gastarbeiter, ohne die Zustimmung des Arbeitgebers Job zu wechseln
- Ein bedingungsloses Mindestgehalt
- Regeln für Pausen - vor allem hinsichtlich der heissen Temperaturen
Vieles noch im Argen
Dennoch stellt die Menschenrechtsorganisation Amnesty International nun, vier Wochen vor Beginn der WM, fest, dass viele der Reformen nur auf dem Papier existieren, an der Umsetzung scheitere es aber oft. "Es ist grundsätzlich gut, dass es die Reformen gibt. Der rechtliche Rahmen ist ein erster Schritt", sagt Sandra Iyke von Amnesty Austria zum KURIER. "Aber was die Umsetzung dieser Reformen angeht, sehen wir noch sehr viel Potenzial."
So hat die NGO vor allem verspätete oder gar nicht ausbezahlte Löhne, unsichere Arbeitsbedingungen, schwierige Jobwechsel und Behinderungen beim Zugang zu juristischer Unterstützung registriert. Es gebe außerdem weiterhin Tausende ungeklärte Todesfälle. "Es gibt in Katar also schon Rahmenbedingungen, die Zwangsarbeit verbieten, aber es wird nicht wirklich kontrolliert", klagt Iyke. Seit den Reformen gebe es laut Amnesty-Informationen nur einen einzigen Fall, bei dem der Vorwurf von Zwangsarbeit tatsächlich zu Konsequenzen für den Arbeitgeber geführt hat.
Völlig im Abseits
Für Iyke von Amnesty ist vor allem ein Bereich noch völlig abseits der medialen Aufmerksamkeit: Jener der rund 173.000 Hausangestellten in Katar, vor allem Frauen. "Sie arbeiten völlig abseits der Öffentlichkeit und unter der kompletten Kontrolle ihrer Arbeitgeber", sagt die Vertreterin von Amnesty. "Das geht von 14 bis 16 Stunden Arbeit am Tag bis hin zu sexueller Gewalt."
Auf den Baustellen der WM, die direkt dem Organisationskomitee des Sportereignisses unterstehen, werde das Arbeitsrecht schon viel besser umgesetzt. "Aber in anderen Bereichen funktioniert das noch ganz schlecht."
Entschädigungsforderungen
Amnesty fordert, gemeinsam mit anderen Organisationen, Sponsoren vereinzelten Fußballverbänden und der Zivilgesellschaft die FIFA und das Organisationskomitee auf, einen eigenen Entschädigungsfonds für geschädigte Arbeitnehmer und deren Familien einzurichten. Zumindest 440 Millionen US-Dollar sollen dafür bereitgestellt werden. Unter #PayUpFIFA wird dazu aufgerufen.
"In einem Monat beginnt die Fußball-WM und für Katar und die FIFA wird die Zeit, um noch das Richtige zu tun, schnell knapp", sagt Steve Cockburn, Leiter des Bereichs wirtschaftliche und soziale Gerechtigkeit bei Amnesty International.
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