Nach Alko-Fahrt von Martin Hinteregger: Wenn Fußball-Stars zu viel trinken

Martin Hinteregger
Die nüchterne Meldung der Woche: „Martin Hinteregger (32) wurde – bereits Anfang Juni – wegen Trunkenheit am Steuer der Führerschein für mindestens sechs Monate entzogen. Nun drohen Nachschulung und Geldbuße bis zu 5.900 Euro.“ Bei der nächtlichen Routinekontrolle in seiner Heimat Kärnten hatte ein Vortest 2,3 Promille angezeigt. Weil der 67-fache Nationalspieler den amtlichen Alkomat-Test verweigerte, stehen gesetzlich 1,6 Promille zu Buche.
Dem hünenhaften Haudegen mit gut 90 Kilo auf 1,86 Meter, dem die Fans in Frankfurt spätestens seit dem Europa-League-Sieg 2022 einträchtige Jubelchöre widmeten („Hinti Army Now“), schwillt es nicht zum ersten Mal der auf Krawall gebürstete Blondschopf. Eine Klage wegen Körperverletzung („Schubsen eines Zuschauers in Sirnitz“, 5. Liga) konnte er jüngst außergerichtlich abwenden. Bereits seit Jugendtagen hat sich – nach und nachts – ein substanzielles Sündenregister summiert. Highlight: Die Geburtstagsfeier, von der er Minuten vor der Abreise des Teams zu einem entscheidenden Auswärtsspiel (gegen Polen, 2019) mit einem eigenen „Flieger“ erschien – und prompt nicht an Bord gelassen wurde.
Wenn er heimkehrt, verriet Hinteregger dem profil (2023), freut er sich am meisten auf den Rundgang durch die Nachbarschaft seines 300-Seelen-Geburtsnests – überall winkt ein grenzüberschreitendes Zaunbier. Bei dieser Fülle an Hopfenkaltschale hat ein notorischer Heißläufer naturgemäß auch Schaum vorm Mund.

Martin Hinteregger
Dauerdruck und Depressionen
Die Zufuhr von Alkohol wird folkloristisch gern verharmlost: Wir trinken nicht, wir pipperln; selbst Überdosen gehen als Schluckerl aus dem Glaserl oder Stamperl aus dem Flascherl durch; zwischen Fluchtachterl und Reparaturseidel liegt kein Vollrausch, sondern maximal ein Damenspitzerl, soll sein ein Schwü oder ein Schwipserl. Im Sport kulminiert der gesellschaftliche Irrtum, starke Trinker wären zugleich starke Männer – das gilt für Fans ebenso wie für Stars. „Fußball und Alkohol“ – das ist eine lange und rumreiche Geschichte. Dabei wären statt Hetz und Hohn eher Halt und Hilfe vonnöten. Alkoholismus ist eine Krankheit, auch wenn eine knappe Million gefährdeter Österreicher darauf lässig und liebevoll mit an g’sunden Schmäh reagieren. Der große „Seelenröntgenologe“ dieses Landes, Erwin Ringel ( 1994), erkannte: „Das Über-Ich ist alkohol-löslich.“ So wie „wir Verdrängungsweltmeister“ gern wären, so streben wir es trinkend wie trügerisch an.
Der Kick des schleichenden Gifts potenziert sich im Profisport durch Dauerdruck und Depressionen. Hinteregger legte das – für alle nachlesbar – in einer, wenn auch beschönigenden Bio, seiner Anekdotensammlung „Innensicht“ (2021) offen: „Ich war in einem Teufelskreis ... Es geht einem so schlecht, man möchte gar nicht weiter ... ich war total am Limit ... mein Kopf ist explodiert ... ich habe keine zwei Stunden am Tag geschlafen, monatelang ... erst die Gespräche mit einer Psychologin waren ganz wichtig, sonst wäre es wohl schlimm ausgegangen.“ Ja, der (zuletzt rückfällige) „Problembär“ setzte mit „Innensicht“ auf Außenwirkung: „Ich möchte jungen Spielern helfen und vor allem auch Menschen abseits des Fußballs. Die sind auch fertig und denken sich hoffentlich: Ah, selbst der große Profi braucht auch Hilfe.“

George Best
Traumkicker und Trauerspiele
Das Phänomen der systematischen, ja suizidalen Selbstzerstörung grassiert seit Jahrzehnten, gerade unter gottbegnadeten Giganten. Der Nordire George Best ( 2005 mit nur 59) galt als fesche Stilikone („der fünfte Beatle“) und als dandyhafter Dribbelking („Pelé is good, Maradona is better, George is Best“) als Archetyp des sorglosen Schluckspechts: „Ich habe viel Geld für Alkohol, Frauen und schnelle Autos ausgegeben, den Rest habe ich einfach verprasst.“ Er starb auf der zweiten Leber saufend.
Auch Kollegen aus der „Hall of Fame“ und an der Bar of Shame gingen elend zugrunde: die Brasilianer Garrincha & Socrates, der Engländer Jimmy Greaves, der morgens in Mistkübeln nach letzten Tropfen in leeren Wodkaflaschen stierlte, aber auch Klub-Bosse wie Rudi Assauer oder Startrainer wie Udo Lattek.
Glimpflich lief es allenfalls für Wolf-Dieter Ahlenfelder, der 1975 die erste Halbzeit eines Bundesligaspiels angesäuselt nach 35 Minuten abpfiff. Lange galten ein Bier und ein Doornkaat als „ein Ahlenfelder“.
Das lässt hoffen: Vielleicht nennt man einen Apfelsaft g’spritzt doch noch einmal einen „Hinteregger“.
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