100 Tage Bayern-Trainer: Nagelsmann ist "verspielt und dominant"

100 Tage Bayern-Trainer: Nagelsmann ist "verspielt und dominant"
Der 34-jährige Cheftrainer ist ein Jahr jünger als Bayern-Kapitän Manuel Neuer. Der Respekt vor ihm ist trotzdem groß.

So einen Trainer hatten die Bayern auch noch nicht. Julian Nagelsmann rauscht manchmal mit dem Elektro-Skateboard über das Vereinsgelände. Die vielen Vereinsmitarbeiter sollen ihn ja „nicht wie einen Außerirdischen sehen“, sagte er jüngst, „nur weil ich der Profi-Cheftrainer bin.“

Der 34-Jährige möchte sich nahbar geben beim Fußball-Rekordmeister, bei dem er an diesem Freitag 100 Tage im Amt ist. Der ein Jahr ältere Kapitän Manuel Neuer berichtet von einem „ganz offenen Umgang“ mit dem noch so jungen Chef, den er als „verspielt“ bezeichnet und „trotzdem sehr dominant“ erlebt.

Nagelsmann ist sehr ehrgeizig. Er sei nicht zum erfolgreichsten deutschen Verein gekommen, um „alles auf den Kopf zu stellen“, sagte er bei seiner Vorstellung vor drei Monaten. Einen unverkennbaren Fußball à la Nagelsmann will er trotzdem im Team implementieren.

Der Oberbayer hat sich nach den ersten Profischritten in Hoffenheim (2016 bis 2019) und bei RB Leipzig (2019 bis 2021) die Bayern zugetraut. Er spricht von einem „Traumjob“.

Rekordablöse

Bayern-Chef Oliver Kahn beabsichtigt, mit Nagelsmann „eine neue Ära anzugehen.“ Nach Hansi Flicks Ankündigung im Sommer, vorzeitig gehen zu wollen, um Teamtrainer werden zu können, war Nagelsmann laut Münchens Sportvorstand Hasan Salihamidzic die „1A-Wunschlösung“ als Nachfolger. Dafür floss eine Rekordablösesumme an RB Leipzig, die durch Bonuszahlungen auf über 20 Millionen Euro anwachsen kann.

Nagelsmann findet es „nicht verkehrt“, dass inzwischen auch für Trainer hohe Summen bezahlt werden. Schließlich sei der Chefcoach „mit die wichtigste Person im Klub. Deshalb finde ich es relativ normal, dass irgendwann Trainer auch was kosten“, sagte er zuletzt in einem Podcast. Nagelsmann erhielt in München einen Fünfjahresvertrag. Salihamidzic nannte das „ein Statement“.

Der Schnellsprecher, Fußball- und Taktikfreak Nagelsmann ist an der Säbener Straße in gewaltige Fußstapfen getreten. Vorgänger Flick ist als Allesgewinner mit dem Triple 2020 und insgesamt sieben Titeln das Richtmaß für ihn. Der Bundestrainer gönnt seinem Nachfolger dessen vielversprechenden Start in München. Von elf Pflichtspielen gewann Nagelsmann neun. Die einzige Bayern-Niederlage gab es just zum Ende der 100-Tage-Schonfrist beim 1:2 gegen Eintracht Frankfurt.

„Ich finde, Julian ist ein toller Trainer, ein Top-Trainer. Gerade in seinen jungen Jahren ist das schon sehr erstaunlich. Er macht eine herausragende Arbeit“, sagte Flick.

Neue Handschrift

Oliver Kahn erkennt schon „eine Handschrift“ des neuen Trainers im Münchner Spiel: „Julian versteht es, den Spielern Veränderungen schnell beizubringen.“ Besonders glücklich ist Salihamidzic, der nach dem Spannungsverhältnis zu Flick nun mit einem Trainer zusammenarbeitet, mit dem er einen engen Austausch pflegt, dessen „Input“ er schätzt.

Nagelsmann steht in München auch nach 100 Tagen noch am Anfang. „Wir haben eine Entwicklung, die andauert. Wir werden noch besser“, glaubt Salihamidzic. Der zehnte Meistertitel nacheinander ist das, was von Nagelsmann im Premierenjahr mindestens als Ausbeute erwartet wird.

Nagelsmann war anfangs gespannt, wie sich die Arbeit mit Topstars anfühlt. Er hat als Trainer Neuland betreten. Er ist jetzt der Chef von Weltklassekönnern wie Torjäger Robert Lewandowski oder Torwart Neuer: „Dass wir diese Spieler haben, die immer Spiele entscheiden können, ist wertvoll. Das brauchst du auf diesem Top-Top-Niveau. Wenn du erfolgreich sein willst, brauchst du diese Einzelspielerqualität.“

Die erste 100-Tage-Etappe in München bewertet Nagelsmann lieber vorsichtig: „Ich weiß, wie die Medienwelt und auch die Fußballwelt funktionieren. Generell werden Menschen sehr schnell in den Himmel gelobt, aber auch schnell fallen gelassen - wenn es andersrum geht.“

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