WM-Aus ärgert auch die deutsche Wirtschaft

WM-Aus ärgert auch die deutsche Wirtschaft
Konsumforscher erwarten keinen nachhaltigen Dämpfer. Die Werbebranche befürchtet eine kleine Delle.

Das erstmalige Aus einer deutschen Fußballnationalmannschaft in einer WM-Vorrunde geht auch an der Wirtschaft in Deutschland nicht ganz spurlos vorbei: Gastwirte befürchten weniger Umsatz, Einzelhändler bangen um das Zusatzgeschäft mit WM-Artikeln wie Trikots, Werber rechnen mit einer kleinen Delle nach dem Imageverlust für "Die Mannschaft", die ein begehrter Reklameträger ist.

Unter dem Strich aber dürfte die Konjunktur in Europas größter Volkswirtschaft nicht unter dem Ausscheiden der Truppe um Nationaltrainer Joachim Löw nach der enttäuschenden 0:2-Niederlage gegen Südkorea leiden, sind sich Experten einig.

"Leider oder glücklicherweise haben wir keine Erfahrungswerte mit einem so frühen Ausscheiden bei einer WM", sagte Rolf Bürkl, Experte der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters. "Ich gehe aber nicht davon aus, dass dies nachhaltig auf die Verbraucherstimmung durchschlägt." Hier dürften andere Faktoren entscheidender sein, etwa der Handelskonflikt mit den USA oder ein mögliches Wiederaufflammen der Eurokrise wegen Italien. "Real werden es sicherlich Getränkehersteller beziehungsweise Kneipen spüren, da das Public Viewing jetzt doch stark nachlassen wird", sagte Bürkl. "Aber auf den Konsum insgesamt werden die Auswirkungen doch relativ gering sein."

"Wichtiger als die Nationalmannschaft ist das Wetter"

Der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) schätzt das ähnlich ein. "Das frühe Ausscheiden der Nationalelf ist für die Gastronomen eine große Enttäuschung in sportlicher und geschäftlicher Hinsicht", erklärte der Verband. "Die Betriebe haben unglaublich viel investiert – in Leinwände und Fernseher sowie Übertragungsrechte. Sie haben Veranstaltungen geplant und vorbereitet, Waren eingekauft, auch Personal eingestellt." Die Branche setzt darauf, dass das WM-Aus die Konsumlaune nicht nachhaltig dämpfen wird. "Wir hoffen, dass uns jetzt der Wettergott hold ist und die Menschen in den Biergärten, Strandbars und auf den Terrassen der Republik den Sommer genießen können."

Der Deutsche Brauer-Bund erwartet keinen Einbruch des heimischen Bier-Konsums. "Wichtiger als die Nationalmannschaft ist das Wetter", sagte ein Sprecher. "Wenn es so bleibt, wird es keine spürbare Delle im Konsum geben." Ein Zusammenspiel von Erfolgen der Mannschaft und sonnigem Sommer wäre allerdings "doppelt gut" für die Brauer gewesen, ergänzte der Sprecher.

Unter Druck gerieten die Aktien des Ausrüsters Adidas. Sie verloren 1,5 Prozent und waren einer der schwächsten Werte im Dax. "Die Titel sind im Vorfeld der WM gut gelaufen, und jetzt nutzen einige die Gelegenheit für Gewinnmitnahmen", sagte ein Händler in Frankfurt. Adidas stattet die Nationalspieler um Kapitän Manuel Neuer mit Trikots aus, deren Replika gern gekauft werden - normalerweise umso mehr, je länger eine Team im WM-Rennen bleibt. Allerdings ist der Konzern noch mit etlichen anderen Teams im Turnier vertreten, darunter Argentinien, Spanien und Gastgeber Russland.

"Das Aus der Nationalmannschaft bedeutet eine Euphoriebremse, die Zusatzeffekte im Einzelhandel durch die WM fallen etwas geringer aus", sagte Kai Falk vom Branchenverband HDE. "Spiele der Nationalmannschaft setzen immer einen Impuls, diesen wird es nun nicht mehr geben." Womöglich werde die eine oder andere Feier nun nicht mehr stattfinden, aber die T-Shirts und Bälle seien bereits verkauft.

"Wir gewinnen zusammen und verlieren zusammen"

Enttäuschung über das WM-Aus gibt es auch in der Werbewirtschaft. "Die TV-Spots sind gebucht", erläuterte Manfred Parteina, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes ZAW. "Die Unternehmen reagieren zum Teil mit inhaltlichen Änderungen, das heißt der geplante WM-Spot wird gegen einen anderen ohne WM-Bezug ausgetauscht." Dennoch ist klar, dass die im WM-Umfeld platzierte Werbung ohne die deutsche Mannschaft weniger Aufmerksamkeit erfahren wird. Auch kurzfristige zusätzliche Werbemaßnahmen wie beim Gewinn der Weltmeisterschaft 2014 wird es dieses Mal nicht geben. "Das frühe Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft bedeutet werblich zwar eine kleine Delle, die aber keine nachhaltige Wirkung entfalten wird", sagte Parteina.

Die Commerzbank als Premium-Partner des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) hat ihren Vertrag Anfang des Jahres bis zum 31. Juli 2024 verlängert. In der aktuellen Werbekampagne, die Mitte Mai startete, wirbt die Commerzbank mit der Mannschaft für ihr "kostenloses Girokonto". Eine Commerzbank-Sprecherin wollte sich nicht dazu äußern, ob das Institut, dass sich ehrgeizige Ziele für die Kundengewinnung gesetzt hat, nun Abstriche bei den Vertriebszielen machen muss. Es sei noch zu früh, dazu etwas zu sagen. Die Partnerschaft mit dem DFB bleibe vom WM-Aus unberührt: "Wir sehen das sportlich. Wir gewinnen zusammen und verlieren zusammen." Die aktuelle Werbekampagne mit der Mannschaft laufe wie geplant bis Anfang Juli weiter.

Manchem Betrieb kommt das WM-Aus vielleicht nicht ganz ungelegen. Das arbeitgebernahe IW-Institut aus Köln hat berechnet, dass es die Wirtschaft rund 130 Millionen Euro kosten könnte, wenn viele Arbeitnehmer etwa eine Stunde früher nach Hause gehen, um WM-Spiele des deutschen Teams wie das gegen Südkorea zu schauen. Für das Achtelfinale sei nun klar: "Es wird kein Arbeitgeber freigeben, damit die Leute Brasilien gegen Mexiko gucken", sagte IW-Arbeitszeit-Experte Christoph Schröder und fügte scherzhaft hinzu: "Die Wirtschaft kann aufatmen."

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