Warum bosnische Fußballfans mit ihrer Gelassenheit punkten
Mehmed und Sead parken ihren Doppelstockbus kurz nach 9 Uhr in der Nähe des Margaretengürtels. 80 Fans der Nogometni bzw. Fudbalski Savez aus Tuzla, Sarajevo, Zenica und Doboj haben sie sicher nach Wien gebracht.
An anderen Tagen ihres Berufslebens fahren die beiden Busfahrer „auf der Linie“ zwischen Tuzla und Wien. Doch der dritte Dienstag im November ist anders.
„Auch wir haben Karten fürs Stadion“, sagt Mehmed stolz. „Und eine bosnische Fahne haben wir auch“, fügt Kollega Sead hinzu.
Auf einer Dienstreise mit abendlicher Vergnügung im Wiener Prater: Mehmed und Sead.
Beim „Ferhatovic“
Im Vorfeld des finalen Spiels zwischen Österreich und BiH hieß es, dass mehr als die Hälfte der Fans im Happel-Stadion die Hymne von Edin Dzeko und Co. anstimmen werden. Das ist nicht ganz aus der Luft gegriffen, wie mittags eine kurze Umfrage beim „Ferhatovic“ in der Meidlinger Steinbauergasse beweist. Gar nicht wenige Fans können hier ein ÖFB-Kombi-Ticket für die Spiele gegen San Marino und ihr Heimatland herzeigen.
Auch der „Ferhatovic“ wird diesen dritten Dienstag im November nicht schnell vergessen: 300 kostenlose Portionen Cevapi und dazu auch Freigetränke hat der Restaurantbesitzer Anfang der Woche angeboten. Vor elf Uhr sind die faschierten Laberln nach bosnischer Art weg! Und alle hier stimmen den beiden Busfahrern zu: „Heute Abend fahren wir über Österreich drüber.“
Bosnische Fans schmausen beim „Ferhatovic“ in der Meidlinger Steinbauergasse.
In Wien sind sie für einen Tag und eine Nacht vereint: Menschen, die zum größten Teil der bosnischen Diaspora zugezählt werden. Einige sind wegen dieses einen Fußballspiels sogar aus den USA nach Europa geflogen. Andere sind aus halb Europa, ganz Österreich und allen Wiener Bezirken mit blau-gelb geschmückten Autos angereist. Die Anzahl jener, die so wie die Busfahrer Mehmed und Sead ein Ticket besitzen und aktuell in ihrer ersten Heimat leben, schätzt ein Insider auf „maximal 3.000 bis 5.000“.
Es ist ihre Leichtigkeit, für die die Bosnier schon im ehemaligen Jugoslawien teils belächelt, teils bewundert wurden: Selbstverständlich gewinnen die „Bosanci“ das Spiel gegen die „Austrijanci“, aber wenn nicht, werden sie dennoch in Wien feiern. Immerhin ist ja die Chance auf ein WM-Ticket dann noch nicht ganz vergeigt.
Zeitangaben in Bosnien sind traditionell weniger exakt als in Deutschland oder in Österreich. Auf die Frage, wann sie denn die Heimreise antreten, meint Busfahrer Mehmed: „Sollten wir nicht gewinnen, irgendwann nach Mitternacht. Sollten wir aber gewinnen, dann frühestens morgen in der Früh.“
Mateo und Angelo, Verkäufer bei „Sport Rado“, halten am Abend nicht zum selben Team.
„Rado“ für Österreich
Historisch ist dieser dritte Dienstag im November auch im Fußballfachgeschäft „Rado Sport“ in der Ottakringer Straße: Erstmals wird das blau-gelbe Trikot von BiH prominenter angeboten als die Trikots von Serbien und Kroatien. Mit 79,90 Euro ist das Authentic-Leiberl auch billiger als jenes vom ÖFB.
80 Prozent ihrer Kunden haben Balkan-Wurzeln, sind sich Mateo und Angelo einig. Uneinig sind sich die jungen Verkäufer, wer das Spiel am Abend gewinnen wird. „2:1 für uns“, tippt Mateo, der im kroatischen Teil von BiH geboren wurde. „3:1 für uns“, sagt Angelo, der schon bald „stolzer Österreicher“ wird.
Ihr Chef, Tomas Radovan, gebürtiger Bosnier mit serbischen Wurzeln, hält übrigens auch zu Österreich. Seine Firma beflockt ja die Trikots von Ralf Rangnicks Hoffnungsträgern.
Kommentare