Die tiefen Risse im ÖOC und die Folgen für Österreichs Sport

Fragen Sie zwei Juristen und Sie erhalten drei Meinungen. Dieses gerne verwendete Bonmot zu den nicht immer eindeutigen Grenzen der Rechtswissenschaft wird derzeit nur noch übertroffen von Österreichs Sportfunktionären, wenn sie den aktuellen Zustand des Österreichischen Olympischen Comité (ÖOC) beschreiben sollen.
Einen „Sieg der Demokratie“ nannten es die einen, von einer „Erbmonarchie“ im Vorstand sprach ein anderer Vertreter, nachdem am Montag die außerordentliche Hauptversammlung im Wiener Marriott Hotel überraschend zügig zu Ende gegangen war. Beschwingt verließ niemand der 46 stimmberechtigten Mitglieder den Ballsaal, man verrenkte sich vielmehr, als es darum ging, gute Miene zum chaotischen Spiel zu machen.
Nachdem im Zuge der Neuwahl des ÖOC-Vorstands in den vergangenen Wochen der Führungsstreit in eine regelrechte Schlammschlacht ausgeartet war, fand die Posse am Montag zwar keinen weiteren Höhepunkt, von einer Entspannung kann jedoch auch keine Rede sein. Was war geschehen?
Zuerst wurde abgestimmt, ob über den eingebrachten, aber kurzfristig wieder zurückgezogenen Wahlvorschlag abgestimmt wird. Dieses Anliegen fand eine Mehrheit, wenngleich Schwimmpräsident Arno Pajek, Teil jener Gruppe aus Fachverbandsbossen, die den Antrag zur außerordentlichen Hauptversammlung überhaupt erst eingebracht hat, festhalten ließ, dass seine Mitstreiter und er nur „unter Protest“ abstimmen.

Einerlei: Denn der Wahlvorschlag fand keine Mehrheit. 31 stimmten dagegen, 13 dafür, zwei enthielten sich. Das Lager um ÖOC-Präsident Karl Stoss sah sich bestätigt. Gegen den Führungsstil des Vorarlbergers, der seit 2009 im Amt ist, richtet sich ein Hauptkritikpunkt jener Gruppierung, die auf eine Neuaufstellung des ÖOC pocht.
Reaktion von Präsident Stoss
Kurioserweise sah der mehrfach abgeänderte Wahlvorschlag Stoss weiterhin als Präsidenten vor. Der störte sich daran, dass er vor vollendete Tatsachen gestellt wurde und sich seine Vorstandsmitglieder nicht selbst aussuchen durfte. Bereits vor Wochen hatte Stoss dem Wahlausschuss das Vertrauen entzogen.
Nun wurde der 66-Jährige lediglich in einer Aussendung mit den Worten zitiert: „Diese demokratische Entscheidung der Hauptversammlung ist zur Kenntnis zu nehmen und das erwarte ich mir auch von allen Beteiligten. Darüber hinaus erwarte ich mir auch, dass jetzt wieder alle an einem Strang ziehen und gemeinsam für den Sport arbeiten.“
Danach sieht es bis zum nächsten Versuch im September, endlich eine Mehrheit für einen neuen Vorstand zu bekommen, eher nicht aus. Die Gruppe der Stoss-Gegner wollte sich über die weitere Vorgehensweise erst noch „intern besprechen“. Man störte sich auch daran, dass deren Rechtsexpertin der Hauptversammlung nicht beiwohnen durfte, während sich die aktuelle ÖOC-Führung gleich doppelt mit rechtlicher Expertise stärken konnte. Von den Statuten soll das gedeckt gewesen sein, sagt der Vorstand. Schwimmpräsident Pajek, ebenfalls Jurist, sah das anders.
"Schaden für den Sport"
„Der Schaden für den Sport ist durchaus nicht gering. Den gilt es für die Zukunft zu minimieren“, meinte Matthias Guggenberger, der Vorsitzende der Athletenkommission des ÖOC. Wie das in nur wenigen Wochen gelingen soll, scheint unklar. „Dem neuen Wahlausschuss wünsche ich alles Gute. Es wird nicht leicht, jetzt eine Liste zu erstellen, die beiden Seiten zu Gesicht steht“, sagt ein Verbandsvertreter, der namentlich nicht genannt werden möchte. Er fügt aber an: „Manche überschätzen dieses Amt und vielleicht auch sich selbst.“
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