Comeback mit 60: Warum Rekordmann Andreas Berger wieder sprintet
Fragt man Andreas Berger, was er all die Jahrzehnte am meisten vermisst hat, dann ist es ein Gefühl. Dieses eine Gefühl, unvergleichlich und deshalb auch unvergesslich, das der Alltag für den ehemaligen Leichtathleten nach Beendigung der Laufbahn in dieser intensiven Form nicht mehr bereithalten sollte.
„Diese Augenblicke vor dem Startschuss“, erzählt Andreas Berger und man kann aus seiner Stimme die Emotionen förmlich spüren, „wenn es dann heißt: ,auf die Plätze‘ – und plötzlich hast du 180 Puls und bist voller Adrenalin. Auf dieses geile Gefühl freue ich mich.“
Antisportler
Fast 30 Jahre sind vergangen, seit der Oberösterreicher das letzte Mal mit Herzrasen bei einem 100-Meter-Sprint am Start stand. Seit dem jähen Ende seiner Sprinterkarriere, ausgelöst durch eine positive Dopingprobe im Vorfeld der WM 1993 in Stuttgart, haben Bergers schnelle Fußsohlen keinen Startblock mehr berührt.
„30 Jahre lang habe ich nichts getan. Joggen taugt mir nicht, ich war vielleicht zehn Mal am Berg, ein bisschen Golfen“, sagt der Mann, der seit 1988 mit 10,15 Sekunden den österreichischen Rekord über die 100 Meter hält. „Ich hätte mich selbst als Antisportler bezeichnet.“
Auf die Plätze, fertig ...
Für einen Antisportler sieht Andreas Berger verdammt austrainiert aus, als er an diesem Samstag am Landessportfeld Linz aus dem Startblock schnellt und mit raumgreifenden Schritten über die Tartanbahn sprintet.
Fast drei Jahrzehnte nach seinem letzten 100-Meter-Lauf wird der 60-Jährige bei seinem Renncomeback im Rahmen der Masters-Meisterschaft mit 12,89 Sekunden gestoppt, für die 200 Meter benötigt er 26,90 Sekunden – zwei souveräne Siege und österreichische Meistertitel in der Klasse M60. „Es war in jeder Hinsicht ein cooles Comeback.“
Raunz nicht, lauf!
Andreas Berger hätte nicht gedacht, dass ihn die Laufleidenschaft noch einmal so packen würde. Aber dann kam das Coronavirus, der Lockdown und Berger, der sich als Veranstalter von Laufevents (Red Bull 400, Traunsee-Halbmarathon) einen Namen gemacht hat, hatte plötzlich viel Zeit. „Ich habe mich gefragt: Was kann ich jetzt tun?“ Und da wurde die Idee geboren, als Sprinter noch einmal richtig Gas zu geben.
Österreichischer Rekord Jahresbestleistung
100 Meter
Karin Mayr-Krifka (11,15sek/2003) Magdalena Lindner (11,33)
Andreas Berger (10,15/1988) Markus Fuchs (10,41)
Weitsprung
Ljudmila Ninova (7,09m/1994) Ingeborg Grünwald (6,37)
Andreas Steiner (8,30/1988) Oluwatosin Ayodeji 7,48
Hochsprung
Sigrid Kirchmann (1,97m/1993) Ivona Dadic (1,83)
Markus Einberger (2,28/1986) Lionel-Afan Strasser (2,14)
Kugelstoßen
Valentina Fedjuschina (19,21m/1999) Sarah Lagger (14,74)
Klaus Bodenmüller (20,79/1987) Will Dibo (15,70)
Von heute auf morgen von 0 auf 100 Meter zu beschleunigen, klingt einfacher, als es tatsächlich ist. Man kann als 60-Jähriger nicht auf die Tartanbahn gehen und einfach einmal drauflossprinten und schauen, was die Beine hergeben. Andreas Berger musste rasch feststellen, dass bei seinem Comeback-Versuch rein gar nichts schnell voranging. Der Oberösterreicher hat diesbezüglich einen wahren Marathon hinter sich, er musste, übertrieben gesagt, erst einmal wieder schnell laufen lernen.
Anfänglich sträubte sich sein Körper, er rebellierte gegen das Training und die Übungen, gegen die ungewohnten Bewegungen und Belastungen. Und das bekam der 60-Jährige in den ersten Wochen nach jeder Trainingseinheit schmerzhaft zu spüren. „Immer hat irgendetwas gezwickt und wehgetan.“ Es lief einfach nicht rund.
Neues Körpergefühl
Andreas Berger und sein Trainer Heimo Tiefenthaler, den er vor 35 Jahren schon an seiner Seite hatte, wählten deshalb den Weg der kleinen Schritte. „Ich habe gemerkt, dass ein Jahr Vorbereitung nach 30 Jahren Pause zu wenig ist“, sagt der 60-Jährige.
Die Zeit hat aber gereicht, um sich in schnellen Zeiten und körperlichen Topwerten niederzuschlagen. „Ich habe bemerkt, dass sich mein Körper zum Positiven verändert hat. Die Muskulatur ist zurückgekommen, das taugt mir, dass das in einem höheren Alter auch noch geht.“
Der Auftritt am Samstag in Linz wird nicht der letzte gewesen sein. Andreas Berger will als Sprinter noch einmal richtig durchstarten und 2022 bei der Senioren-WM in Tampere um eine Medaille mitlaufen. „Die ersten 20,30 Meter sind schon ein Wahnsinn“, sagt der 60-Jährige. „Danach tu’ ich mich noch ein bisschen schwer.“
Kommentare