Comeback der alten Helden

„Ich habe nie geglaubt, dass ich so gut spielen kann“, sagt
Marin Cilic nach seinem glatten 6:3-6:4-6:4-Sieg über den fünffachen US-Open-Sieger Roger Federer. Im Finale darf der 25-jährige Kroate heute (23 Uhr MESZ, live Eurosport) dem japanischen Djokovic-Bezwinger Kei Nishikori gegenüberstehen, einem weiteren Debütanten in einem Grand-Slam-Finale. Ganz überraschend kam der Erfolg des Kroaten nicht: 2010 stand er schon im Semifinale der
Australian Open und war kurz darauf die Nummer neun der Welt.
Dass es nunmehr für ganz oben reichen kann, liegt vor allem an seinem Coach Goran Ivanisevic. Der mittlerweile fast 43-Jährige nahm den talentierten Landsmann 2010 unter seine Fittiche. Ein Hauptaugenmerk galt natürlich dem Aufschlag. Wen wundert’s? In der ewigen Ass-Statistik auf der
ATP-Tour ist Ivanisevic der einzige Herr mit mehr als 10.000 Assen (10.183).
Und Cilic tritt in die Tennisschuh-Spuren seines Trainers: In diesem Jahr ist er die Nummer vier in dieser Statistik mit 574 Assen. In Führung liegt mit Ivo Karlovic (885) übrigens auch ein Kroate. 81 Asse schüttelte Cilic im Verlaufe dieses Turniers aus dem Ärmel. Aber nicht nur deshalb ist er nach Krisen ist wieder die Nummer 16 der Welt und wird sich nach den
US Open weiter nach oben bewegen. „Er hat sich jetzt in allem enorm verbessert“, sagt Verlierer Federer.
Leisetreter
Ivanisevic hält sich eher im Hintergrund, will kein großes Aufsehen, wie es Boris Becker als Djokovic-Coach oder Stefan Edberg als Federer-Betreuer genießen. "Ich brauche keine Schlagzeilen, nur Erfolge mit Cilic", sagt Ivanisevic, der den emotionalen Einpeitscher gibt, aber auch Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt, wenn die Situation es erfordert. Und der Aufbauarbeit leisten muss: Im Vorjahr musste er die heikle Aufgabe übernehmen, den deprimierten Cilic nach einer Doping-Sperre zurückzuführen. Die Strafe wegen eines verbotenes Stimulanzmittels war zwar vom Internationalen Sportgerichtshof auf vier Monate reduziert worden, "aber die Aufbauarbeit begann mit einem Scherbenhaufen", sagt Ivanisevic. Er selbst weiß aber auch, wie es sich anfühlt, als klarer Außenseiter für eine Sensation zu sorgen: 2001 war Ivanisevic als Nummer 125 der Welt und als Auslaufmodell nach Wimbledon gereist, dem keiner mehr etwas zugetraut hatte. Zwei Woche später feierte er doch noch seinen ersten Grand-Slam-Titel. An einem Montag.
Trendwende
Und an einem Montag könnte sein Schützling triumphieren. In einem Grand-Slam-Finale, in dem erstmals seit 2005 (bei den Australian Open schlug der Russe Marat Safin den Australier Lleyton Hewitt) weder Djokovic, Federer noch der derzeit verletzte Rafael Nadal stehen. Und: Wie auch Cilic war auch Kei Nishikori kein Top-Ten-Spieler, vor dem Turnier die Nummer elf. Der Japaner hat ebenso viel von seinem Coach angenommen: Michael Chang galt als begnadeter Kämpfer im Zirkus, seit Jahresbeginn macht er Nishikori Beine. Nach einer Krise war es der 42-jährige ebenso aus Asien stammende Chang, der Nishikori nach oben brachte.
Und Federer? Er hätte auch bei einem Sieg gegen Cilic keinen Top-10-Spieler im Turnierverlauf zu bekämpfen gehabt. So groß wird die Chance auf einen 18. Grand-Slam-Titel wohl nie mehr sein.
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