Zwist: Warum die Regierung so viele wichtige Jobs nicht besetzt

Wenn der Präsident der Richtervereinigung über einen „rechtsstaatlichen Skandal“ klagt, dann ist das ein eher ungewöhnlicher Vorgang. Georg Kanduth hat das jetzt in einem Interview mit Ö1 gemacht. Der Grund: Die nach wie vor offene Besetzung Spitze des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG).
Zur Erinnerung: Die Präsidentenstelle ist seit Ende 2022 vakant – und das, obwohl eine Kommission längst einen Vorschlag formuliert hat, wer den Posten übernehmen könnte.
Wie viele andere Spitzenjobs der Republik muss die Bestellung durch den Ministerrat. Doch die Mär geht, dass sich ÖVP und Grüne an anderer Front, nämlich bei der Bundeswettbewerbsbehörde, nach wie vor nicht auf eine Bestellung einigen können; und deshalb steht nun auch die BVwG-Bestellung.
Genau das, nämlich das kolportierte Junktim einer politischen Einigung mit der Bestellung von Justiz-Jobs, lässt Richter-Präsident Kanduth verwundert zurück: „Wie kann man eine Richterplanstelle mit irgendetwas anderem junktimieren?“
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Man kann – oder besser: Die Regierung kann. Und das nicht nur beim BVwG und der Bundeswettbewerbsbehörde, sondern auch bei der Alterssicherungskommission und in der Nationalbank.
BVwG
Die Präsidentenstelle im Bundesverwaltungsgerichtshof ist seit 1. Dezember 2022 vakant. Vizepräsident Michael Sachs leitet den BVwG derzeit interimistisch
BWB
Die Bundeswettbewerbsbehörde wird bereits seit zwei Jahren von Natalie Harsdorf-Borsch interimistisch geleitet
Weisungsrat
Franz Plöchl, Chef der Generalprokuratur und des Weisungsrates im Justizministerium, ist Ende August in Pension gegangen. Derzeit fehlt ein Nachfolger
Nationalbank
Beim Generalrat, der den Notenbank-Direktor berät, sind derzeit fünf von zehn Stellen offen
Alterssicherung
Die Pensionssicherungskommission wartet bereits seit Ende 2021 auf einen neuen Leiter
"Ist uns bewusst"
In der Regierung ist man sich der schiefen Optik bewusst. So hat ÖVP-Kanzler Karl Nehammer vor Wochen darauf hingewiesen, dass der doppelte Bestellmodus bei Spitzenjobs (zuerst prüft und reiht eine Kommission Kandidaten, dann entscheidet der Ministerrat) überdacht werden muss. Bei den aktuell überfälligen Job-Entscheidungen hilft diese Debatte aber wenig.
„Selbstverständlich ist uns die Außenwirkung bewusst“, sagt ein Regierungsstratege zum KURIER. Noch sei beim grundsätzlichen Zwist aber keine Lösung absehbar.
Aus Sicht der Grünen hat die Kanzlerpartei bei der Reihung der Kandidaten für die Bundeswettbewerbsbehörde foul gespielt. Und zwar dergestalt, dass sowohl die Auswahl der Kommissionsmitglieder als auch deren Entscheidung ausschließlich in der Einflusssphäre des Ministeriums und damit der ÖVP lagen. „Wir haben eher zufällig erfahren, wer der Erstgereihte im Kommissionsvorschlag ist. Und dieser Person können wir aus fachlichen Gründen nicht zustimmen“, heißt es bei den Grünen.
Tatsache ist, dass entweder die ÖVP oder die Grünen über ihren Schatten springen müssen, um den Gordischen Knoten zu lösen. Dem Vernehmen nach sind ÖVP und Grüne bestrebt, bei einem der Ministerräte kommende oder nächste Woche eine Lösung zu präsentieren. Offiziell heißt es vorerst nur: „Die Koalitionspartner sind zuversichtlich, zeitnah ein Ergebnis bekannt geben zu können.“
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