ÖGK in der Kritik: "Die Gesundheitskasse hat Fieber"
In einem emotional aufgeladenen Interview in der ZiB2 hat Dietmar Bayer, Obmann-Stellvertreter der niedergelassenen Ärzte in der Ärztekammer, am Montagabend scharfe Kritik an der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) geübt.
Die derzeitige Führung der Kasse sei, so Bayer, „ein Fall für den Austausch“ – sie habe versagt, weil sie sich den strukturellen Problemen im Gesundheitssystem nicht gestellt habe.
Bayer ortet gravierendes Planungsversäumnis
Bayer skizzierte ein dramatisches Bild der Entwicklung: Während die österreichische Bevölkerung in den letzten Jahren auf über 9,2 Millionen Menschen angewachsen sei, sinke die Zahl der praktischen Kassenärzte. Gleichzeitig bleibe die Anzahl der Fachärzte im Kassensystem konstant – ein gefährlicher Trend angesichts von jährlich 150 Millionen e-Card-Steckungen. Die Leistungen würden also von weniger Ärzten erbracht, warnte Bayer, bei gleichbleibendem oder sogar steigendem medizinischem Bedarf.
„Wir haben jetzt bereits zehn Prozent der Ärzte im Pensionsalter“, so Bayer, „und in fünf Jahren werden es 33 Prozent sein.“ Das sei ein gravierendes Planungsversäumnis, das über Jahrzehnte aufgebaut worden sei. Die Gesundheitskasse hätte nicht nur das demografische Wachstum, sondern auch das Pensionsantrittsalter der Babyboomer-Generation vorausschauend berücksichtigen müssen.
"System hat deutlich Fieber"
Dass immer mehr Ärzte sich aus dem Kassensystem zurückziehen und lieber Wahlarztmodelle wählen, ist laut Bayer ein klares Symptom dieser Schieflage: „Das System hat deutlich Fieber“, sagte er. Zwischen 1999 und heute sei die Zahl der Wahlärzte regelrecht explodiert – ein Signal für strukturelles Versagen im Kassensystem.
Ein Grund für den Rückzug vieler Ärzte aus der Kassenmedizin sei auch der zunehmende Druck durch die ÖGK. Diese schicken Briefe, in denen beispielsweise vor zu vielen Blutuntersuchungen gewarnt werde – Untersuchungen, die aus medizinischer Sicht aber notwendig seien.
"Das ist moderne Medizin - keine Steinzeit"
Bayer verteidigte auch die hohe Anzahl an teuren MRT- und CT-Untersuchungen in Österreich – ein häufig vorgebrachter Kritikpunkt der Kasse. Diese Diagnostik sei Teil eines modernen Gesundheitssystems: „Wir entdecken dadurch viele Erkrankungen, etwa Tumore, wesentlich früher und können rechtzeitig behandeln.“ Eine Reduktion dieser Leistungen führe nicht zu mehr Effizienz, sondern zur Gefahr einer „Steinzeitmedizin“, warnte er.
Ein Vorschlag des ÖGK-Obmanns, Ärzte sollten in der aktuellen Lage einen Solidarbeitrag leisten, stieß bei Bayer auf scharfen Widerspruch. Die kolportierten Durchschnittseinkommen der Kassenärzte – laut IHS rund 226.000 Euro brutto jährlich – bezeichnete er als „Zahlenspielerei“. Ärzte führten schließlich wirtschaftliche Betriebe mit Mitarbeitenden und Mietkosten.
Bayer verwies zudem auf unbezahlte Mehrleistungen im Kassensystem, insbesondere in der Steiermark. „Wir haben dort berechnet, dass 28 Millionen Euro an Leistungen erbracht werden, die die Kasse gar nicht zahlt – das ist unser Solidarbeitrag“, betonte er. Die Grenze des Leistbaren sei damit erreicht.
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