Zeithistoriker kritisieren Rosenkranz-Veranstaltung im Parlament

NATIONALRAT: ROSENKRANZ
Für 11. November plant Nationalratspräsident Walter Rosenkranz das sogenannte "Dinghofer-Symposium" im Parlament. Historiker mahnen: Das Parlament sei kein Ort für die Ehrung eines Nationalsozialisten.

Zusammenfassung

  • Zeithistoriker kritisieren das geplante Dinghofer-Symposium im Parlament als posthume Ehrung eines Antisemiten und Nationalsozialisten und fordern dessen Absage.
  • FPÖ weist die Vorwürfe als "Rufmordkampagne" zurück und betont, Dinghofer sei Opfer des NS-Regimes gewesen und habe sich für jüdische Mitbürger eingesetzt.
  • Auch Grüne und SPÖ kritisieren die Veranstaltung scharf und sehen darin eine Beschädigung der Würde des Parlaments sowie eine Verharmlosung von Antisemitismus.

Mehrere Zeithistoriker machen in einem offenen Brief gegen eine von Nationalratspräsident Walter Rosenkranz (FPÖ) organisierte Veranstaltung im Parlament mobil. 

Stein des Anstoßes ist das für 11. November angesetzte "Dinghofer-Symposium 2025". Das Parlament werde damit "zum Ort des ehrenden Erinnerns an einen deklarierten Antisemiten und Nationalsozialisten", lautet die Kritik. 

Die FPÖ spricht dagegen von einer "Rufmordkampagne", Dinghofer sei "Opfer des NS-Regimes" gewesen.

Die Veranstaltung am 11. November widmet sich dem Thema "Zensur und Ideologisierung - die Freiheit in Gefahr!". Die Eröffnungsworte und die Begrüßung nehmen Rosenkranz und der freiheitliche Abgeordnete und Präsident des 2010 gegründeten Dinghofer-Instituts, Martin Graf, vor. Im Rahmen der Veranstaltung sollen die Franz-Dinghofer-Medaille und der Dinghofer-Medienpreis verliehen werden, wie es auf der Parlamentshomepage heißt. Die Veranstaltung fand in den vergangenen Jahren bereits im Parlament und im vom Parlament genutzten Palais Epstein statt.

NSDAP-Mitglied

Der in Ottensheim geborene großdeutsche Politiker Dinghofer (1873-1956) war von 1907 bis 1918 Linzer Bürgermeister. In den 1920er-Jahren war er u.a. Nationalratsabgeordneter, Justizminister, Vizekanzler und Dritter Präsident des Nationalrates, nach seinem Rückzug aus der Politik dann Präsident des Obersten Gerichtshofs. Laut Auskunft des Bundesarchivs in Berlin war Dinghofer NSDAP-Mitglied. Er habe sich 1940 um die Aufnahme in die NSDAP bemüht, diese sei ihm bereits nach zweieinhalb Monaten gewährt worden.

Zeithistoriker mit Appell

"Dinghofer, dessen Rolle bei der Gründung der Republik am 12. November 1918 überbewertet wird - weil die Republik nicht 'ausgerufen', sondern von der Provisorischen Nationalversammlung beschlossen worden ist - war ein Vertreter der Großdeutschen Volkspartei, deren Parteiprogramm einer aggressiven antisemitischen Hetzschrift gleicht", lautet die Kritik in dem u.a. von den Zeithistorikern Helmut Konrad und Oliver Rathkolb unterzeichneten Schreiben. Zudem sei er "auch persönlich bekennender Antisemit" und mit seiner Partei "ein Wegbereiter dieser Reichspogromnacht 1938 wie auch des Holocaust" gewesen.

"Dass einen Tag nach dem Gedenken an die Nacht, als Nazis Synagogen und jüdische Einrichtungen zerstörten, jüdische Bürgerinnen und Bürger töteten, misshandelten, im gleichen Haus eine Veranstaltung mit dem Namen eines Antisemiten und Nazis wie Dinghofer abgehalten werden kann, ist erschreckend - und unverständlich", heißt es in dem Schreiben.

Kritik von Parteien

Auch Grüne und SPÖ, ÖVP und die Neos übten Kritik: "Dass Walter Rosenkranz in seiner Funktion als Nationalratspräsident offiziell zu einer derartigen Veranstaltung einlädt, ist eine Schande und beschädigt die Würde des Hohen Hauses", so Rechtsextremismus-Sprecher Lukas Hammer in einer Aussendung. Ähnlich die SPÖ-Sprecherin für Erinnerungskultur Sabine Schatz: "Gerade in Zeiten, in denen Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus wieder zunehmen, braucht es klare Haltung und Verantwortung, besonders von jenen, die das Parlament repräsentieren."

"Wer nur ein Mindestmaß an Gespür hat, gedenkt der Opfer - und nicht der Täter", meinte auch ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl. Der stellvertretende NEOS-Klubobmann Nikolaus Scherak forderte mehr Sensibilität. Man tue dem Ansehen des Parlaments nichts Gutes, "wenn dort, unmittelbar nach dem Gedenken an die Novemberpogrome, ein Symposium veranstaltet wird, das nach einem bekennenden Nationalsozialisten benannt ist."

FPÖ: "Geschichtsfälschung"

Für die Freiheitlichen stellt das Schreiben dagegen eine "beispiellose Geschichtsfälschung" durch "linke Historiker und Meinungsmacher" dar. "Die Linke versucht, einen der Architekten der Ersten Republik posthum zu vernichten - und das ausgerechnet in jenem Haus, das er selbst mitbegründet hat", meinte Generalsekretär Christian Hafenecker in einer Aussendung.

Für Hafenecker war Dinghofer auch nicht Täter, sondern ein "Opfer des NS-Regimes": Dieser sei von den Nazis 1938 als Präsident des Obersten Gerichtshofs abgesetzt und dessen Familienbesitz durch die Nazis enteignet worden. Eine NSDAP-Mitgliedschaft sieht Hafenecker aufgrund widersprüchlicher Unterlagen und fehlender Unterschriften als "nicht belegt." 

Darüber hinaus habe sich Dinghofer im Linzer Gemeinderat für die Religionsfreiheit der jüdischen Kultusgemeinde eingesetzt und bis in die Nachkriegszeit freundschaftliche Kontakte zu jüdischen Mitbürgern gepflegt. "Ein Mann, der 1918 die Republik mitbegründet, 1938 von den Nazis enteignet und aus dem Amt gejagt und 1945 rehabilitiert wurde, wird heute von der linken Meinungsblase als Nationalsozialist hingestellt - das ist absurd."

Kommentare