WKO: Mahrer-Nachfolgerin Martha Schultz will "Bild der Kammer wieder gerade hängen"
Vor zwei Wochen tritt Harald Mahrer als Wirtschaftskammerpräsident zurück. Die 4,2 Prozent Gehaltserhöhung für die knapp 6.000 WKO-Mitarbeiter, die ab der zweiten Jahreshälfte 2026 schlagend hätten werden sollen, sind ein Schlag ins Gesicht all jener, die weit unter der Inflation Löhne und Gehälter zum Abschluss bringen. Dazu kommt, dass die sogenannten Entschädigungszahlungen der Spitzenfunktionäre der neun Länderkammern und der WKO um bis zu 50 Prozent angehoben werden.
Doch damit ist es nun vorbei. Das zumindest besagt der Plan von Mahrers designierter Nachfolgerin Martha Schultz. Die amtsführende Vizepräsidentin in der WKO übernimmt interimistisch Mahrers Präsidentenamt, nimmt das Gehaltsplus zurück, um es zu halbieren und setzt die Funktionärsentschädigungen aus.
Am zweiten Tag des Wirtschaftsparlaments erklärt sie sich erstmals auch der Öffentlichkeit. Ehe Schultz das Wort ergreift, bringen Freiheitliche und Junos (Neos) Dringlichkeitsanträge ein. Es geht um die "Zwangsmitgliedschaft" (FPÖ) in der Kammer und die Abschaffung der Kammerumlage 2 (Grüne und Neos).
Die Mehrheit stimmt gegen den Antrag der Freiheitlichen und gegen den Antrag von Neos und der Grünen.
Es sei das bisher "größte Auditorium ihrer Laufbahn", so die Tirolerin, die mit ihrem Bruder mehrere Unternehmen führt, rund 800 Mitarbeiter beschäftigt.
In der ersten Reihe nehmen Mahrers Vorgänger - Christoph Leitl - und der ehemalige Vizepräsident der WKO, René Alfons Haiden Platz.
Sie habe "Respekt" davor, aber sie habe auch eine Botschaft. "Ab heute schlagen wir ein neues Kapitel in der Wirtschaftskammer auf. Keine Revolution, aber eine Reform."
In der Wirtschaftskammer werde man einiges, betont Schultz besonders, ändern müssen. Sie begreife sich als "leidenschaftliche Unternehmerin, leidenschaftliche Tirolerin und leidenschaftliche Europäerin. Das treibt mich an. Das ist mein Motiv." Deshalb sei sie seit mehr als 15 Jahren in der Wirtschaftskammer für die Betriebe in unserem Land engagiere.
"Unser Image ist ramponiert"
Dann appelliert Schultz an die Anwesenden, selbstkritisch zu sein. "Unser Image in der Öffentlichkeit ist ramponiert."
Die Kammer werde dargestellt" als aufgeblähter Bürokratieapparat mit zu vielen Funktionären, mit zu üppigen Einkünften und zu wenig Effizienz. Dieses Bild müssen wir korrigieren, weil es uns in dieser Schärfe auch nicht gerecht wird."
Die Kammer würde "wertvolle Arbeit als Servicestationen und Ansprechpartner für die unzähligen Klein- Mittel- und Großbetriebe" leisten. Punkt für Punkt führt die WKO-Präsidentin in spe die Leistung der Kammer auf, die "in der Aufgeregtheit der letzten Tage unerwähnt blieben" wie beispielsweise
- die Senkung der Körperschaftsteuer auf 23 %
- die Anhebung der Pauschalierung bei den Betriebsausgaben für Kleinunternehmen
- die Erhöhung der Investitionsprämie und des Investitionsfreibetrags
- die gebührenfreie Meisterprüfung und die Aufwertung der Lehre die Befreiung von der NOVA bei leichten Nutzfahrzeugen
- die Erhöhung der Budgetmittel für die Kinderbetreuung und die Elementarbildung.
Zudem hat Martha Schultz eine "ganz klare Ansage an alle, die jetzt die Pflichtmitgliedschaft in den Kammern aushebeln möchten: Ich kämpfe für unsere Unabhängigkeit und gegen eine staatliche Einmischung in unsere Agenden. Nur wenn alle Unternehmen beitragen, sind wir stark. Lassen wir uns von Parteipolemik nicht irritieren, unsere Linie heißt Sachlichkeit und Vernunft im Rahmen der Sozialpartnerschaft."
"Kammer als Kernstück der Sozialpartnerschaft"
Die WKO, das sei "das Kernstück der österreichischen Sozialpartnerschaft", ein "stabiler Faktor in politisch und ökonomisch unruhigen Zeiten". Eben deshalb gebe es ein "unerschütterliches Bekenntnis zur Sozialpartnerschaft" und eine "eine Absage an die Polarisierung in der Politik und in der Gesellschaft".
Österreich brauche, führt die erste Frau an der Spitze der Wirtschaftskammer aus, weniger "Pessimismus und Krankjammern", denn das sei "Gift für die Wende zum Positiven".
Die Lage sei nicht so schlecht, wie sie von manchem dargestellt würde, befindet Schultz und zitiert den Präsidenten des Deutschen Wirtschaftsforschungsinstituts, Marcel Fratzscher: „Österreichs Wirtschaft steht an einem entscheidenden Punkt. Das Potenzial für eine wirtschaftliche Dynamik, die einen echten Aufschwung bringen kann, ist so groß wie seit Langem nicht. Das Land verfügt über alle Voraussetzungen, um in den kommenden Jahren stark, innovativ und zukunftsfähig zu wachsen. Entscheidend ist, dass Politik, Unternehmen und Gesellschaft die Chancen dieser Zeitenwende erkennen – und sie entschlossen gestalten.“
Sie halte es für erstaunlich, dass ein Wissenschaftler aus Berlin Zuversicht für Wien vermitteln müsse, weil hierzulande die Stimmen scheinbar verstummt sind. Stichwort steigendes Budgetdefizit, hohe Inflation und geringes Wachstum. "Deshalb braucht es mehr Punch, mehr Mut und mehr größeres Denken in der Regierung."
Geht es nach Schultz, dann reiche es nicht, "möglichst konfliktfrei das Regierungsprogramm abzuarbeiten, wenn sich die Rahmenbedingungen nicht verbessern". Österreich brauche große Lösungen für einen dringenden Wirtschaftsaufschwung. Dies gehe nur mit "Investitionsanreizen, dem Abbau bürokratischer Hürden, und keinen neuen Steuerideen".
"Unmut verstanden"
Die WKO müsse eine Trendumkehr schaffen und beim Aufschwung eine entscheide Rolle spielen. Als Signal, dass "wir die Kritik und den Unmut verstanden haben" will Mahrers Nachfolgerin Martha Schultz die Änderung jener Maßnahmen verstanden wissen, die Mahrer de facto zu Fall gebracht haben.
- Das Gehaltsplus von 4,2 Prozent wird tatsächlich halbiert. Für die 2,1 Prozent dankt Schultz explizit den Mitarbeitern und dem Betriebsrat.
- Für 2027 wird ein neues Modell für Gehaltsverhandlungen entwickelt.
- "Das Jahr 2026 bedeutet auch ein Reformjahr für die Wiedner Hauptstrasse. Wir werden hinterfragen, ob alles was je erfunden wurde, noch notwendig ist. Wir schauen, wo geht es schneller und wo geht es unbürokratischer." Dieser Anspruch gelte auch für Doppel und Mehrfachgleisigkeiten.
Nach Abschluss der Rechnungshofprüfung werde man sich an den Empfehlungen des Rechnungshofes orientieren.
Alle Fraktionen des Präsidiums haben sich, so Schultz, zu dieser Reform bekannt, deshalb ist sie sich sicher: "Dieses Paket werden wir durchziehen!"
"Bild der Wirtschaftskammer gerade hängen"
Ihre Aussage wird durch Zwischenapplaus unterbrochen, ehe sie fortsetzt: "Wir müssen auch besser erzählen, was wir für unsere Mitglieder wirklich leisten. Ich werde mit gutem Beispiel vorangehen und das Bild der Wirtschaftskammer wieder gerade hängen."
Schultz wisse, sagt sie weiter gen Ende der Rede, dass die "kommenden Wochen entscheidend werden" und, dass "Politik, Medien, die Bevölkerung werden uns daran messen, ob wir die richtigen Lehren ziehen".
Auch wenn der Kammerstaat als etwas Altmodisches angesehen werde, so verstehe sie "die Kammer als unverzichtbare Anwältin der Wirtschaftsinteressen". Sie werde sich mit aller Kraft dafür einsetzen, die Wirtschaftskammer zu jenem Ansehen hinzuführen, "das die Kammer, ihre Mitglieder, ihre Funktionärinnen und Funktionäre und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verdienen".
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