Nach den Hamas-Terrorangriffen vom 7. Oktober und den darauf folgenden antisemitischen Ausschreitungen – auch in Wien – haben Konzepte zur Neuorganisation von Migration und Integration Hochkonjunktur.
In der Vorwoche sprach sich Wiens Vizebürgermeister und Integrationsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) in einer Grundsatzrede wie berichtet für schärfere Sanktionen gegen integrationsunwillige Migranten aus und forderte einen Österreich-Konvent zum Thema.
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Nun legt die Wiener ÖVP ihren Forderungskatalog auf den Tisch. Basis ist eine Enquete, die die Türkisen in der Vorwoche mit Experten abgehalten haben. „Wir wollen einen Kontrapunkt zu jenen setzen, die die Probleme wie SPÖ, Grüne und Neos totschweigen oder undifferenziert dramatisieren wie die FPÖ“, sagt Parteichef Karl Mahrer.
Er ortet im bestehenden System massive Schieflagen: Österreich habe von 2015 bis zum ersten Halbjahr 2023 mehr Menschen Schutz gewährt als 18 EU-Mitgliedsstaaten zusammen. 91 Prozent der Asylanträge seien 2022 von Männern gestellt worden. An der Spitze der Herkunftsländer lag demnach Afghanistan vor Indien und Syrien. „Das bestehende europäische Asylsystem ist aber auf regionale Flüchtlingsströme, nicht auf solche transkontinentale Fluchtbewegungen ausgelegt“, lautet Mahrers Befund.
Die Lösung sei ein Asylsystem, das zwischen Asyl, Flucht (aus wirtschaftlichen Gründen) und (für Mahrer zweifelsfrei notwendiger) gezielter Zuwanderung unterscheidet. Dazu gehöre ein stabiler europäischer Außengrenzschutz sowie Asylverfahren möglichst nahe der Heimatländer.
Wien-Kodex
In Sachen Integration plädiert der Wiener ÖVP-Chef für eine „geistige Landesverteidigung“ gegen weltanschauliche Parallel- und Gegengesellschaften. Mit einem eigenen Wien-Kodex soll auf die Einhaltung westlich-demokratischer Werte geachtet werden. Bei groben Verstößen sollen Sozialleistungen gekürzt werden. Die Stadtteilentwicklung soll für eine soziale Durchmischung sorgen, damit Parallel- und Gegengesellschaften in bestimmten Vierteln erst gar nicht entstehen. Doppelstaatsbürger sollen bei Verurteilung wegen Verhetzung oder nach dem Verbotsgesetz die österreichische Staatsbürgerschaft verlieren, fordert Mahrer.
Sozialgeld kürzen
Trotz vielfach ähnlich klingender Forderungen lässt ÖVP-Integrationssprecherin Caroline Hungerländer kein gutes Haar an Wiederkehrs Grundsatzrede. „Er fordert einen bundesweiten Konvent, hat aber für Wien keine Konzepte.“ So könnte die Stadt selbst Verschärfungen bei der Vergabe der Mindestsicherung beschließen.
Dornauer gegen Kodex
Für Debatten sorgt indes weiter der von der ÖVP Vorarlberg vorgeschlagene Kodex für Asylwerber, der eine verpflichtende gemeinnützige Arbeit vorsieht. Die Idee wird auch von Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) unterstützt.
Sein SPÖ-Stellvertreter Georg Dornauer hält sie laut Tiroler Tageszeitung hingegen als „reinen Theaterdonner“ der ÖVP vor den Wahlen 2024. Er verweist auf die 2017 aufgelegte Integrationsvereinbarung, die eine Verpflichtung zu Deutsch- und sogenannten Wertekursen enthalte.
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