Geschlechtsänderung: Wie die Chancen auf ein neues Gesetz stehen

Geschlechtsänderung: Wie die Chancen auf ein neues Gesetz stehen
In Deutschland wird über ein Gesetz diskutiert, das eine einfache Änderung des Geschlechts und des Vornamens ohne Gutachten ermöglichen soll. Wie sieht es in Österreich aus?

von Sylvia Huber

Wenn jemand äußerlich nicht dem Geschlecht, das in der Geburtsurkunde steht, entspricht, kann dies im Alltag zu Verwirrung führen - im schlimmsten Fall sogar zu Diskriminierung. Um den Prozess zu vereinfachen, plant die Ampelkoalition in Deutschland ein neues Gesetz. Damit sollen das Geschlecht und der Vorname auf dem Standesamt ohne psychologische Gutachten geändert werden können. Für transsexuelle und intergeschlechtliche Personen sollen nicht mehr wie bisher unterschiedliche Gesetze angewendet werden.

Aktuell ist es in Deutschland so: Wer das Geschlecht ändern möchte, muss mit zwei psychologischen Gutachten nachweisen, dass er oder sie sich seit mindestens drei Jahren nicht mehr mit dem Geschlecht in der Geburtsurkunde identifiziert. Seit 2011 ist immerhin keine geschlechtsangleichende Operation mehr notwendig. Ein Gericht entscheidet über die Änderung. Die Ablehnungsrate liegt bei unter fünf Prozent, heißt es aus dem deutschen Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Das Verfahren dauere zwischen fünf und zwanzig Monaten und koste durchschnittlich etwas mehr als 1.800 Euro. Laut einer Erhebung des Ministeriums kritisieren Betroffene die intimen Fragen zur Sexualität und zum Sexualverhalten. Auch intergeschlechtliche Personen benötigen ein ärztliches Attest, um das rechtlich eingetragene Geschlecht ändern zu können.

Hauptkritikpunkt zum Selbstbestimmungsgesetz ist in Deutschland, dass es missbraucht werden könnte. Beispielsweise könnte das Geschlecht kurzfristig von männlich auf weiblich geändert werden, um Frauenquotenregeln in Unternehmen auszunutzen. Eine Sperrfrist von einem Jahr für eine erneute Änderung soll dies allerdings verhindern. In Ländern, in denen es bereits ein solches Selbstbestimmungsgesetz gibt, konnten laut des Ministeriums keine mehrmaligen Anträge beobachtet werden. Der deutsche Lesben- und Schwulenverband, geht nicht davon aus, dass viele Personen wiederholt ihr Geschlecht ändern, da damit oft Diskriminierung einhergehe.

Und wie sieht die Wahrscheinlichkeit für ein Selbstbestimmungsgesetzes in Österreich aus?

"Die Regelungen in Österreich sind liberaler als in Deutschland, nichtsdestotrotz nehmen die Betroffenen das Verfahren als entwürdigend wahr", stellt Eva Fels, Obfrau des Vereins Trans X, fest. Der Verein engagiert sich für die Rechte von Transgender Personen. Momentan sieht es so aus: Das rechtliche Geschlecht muss in Österreich im Zentralen Personenstandsregister geändert werden. Transsexuelle Personen müssen sich unumkehrbar dem anderen Geschlecht zugehörig fühlen und sich äußerlich dem Erscheinungsbild annähern, um ihr Geschlecht ändern zu können. Im Gegensatz zu Deutschland ist nur ein (nicht zwei) Sachverständigengutachten notwendig. Auch Personen, die ihr Geschlecht auf inter, divers oder offen ändern wollen bzw. keine Angabe möchten, benötigen ein Fachgutachten.

Eine geschlechtsangleichende Operation ist wie in Deutschland nicht notwendig. Der Vorname kann erst nach der Korrektur des Geschlechts im Meldesystem verändert werden. Die Verfahren können je nach Bundesland etwas anderes verlaufen.

Die Parteien sind unterschiedlicher Meinung, was die rechtliche Bestimmung des Geschlechts angeht. Da es sich beim hier zuständigen Personenstandsgesetz um ein einfaches Gesetz handelt, müsste eine einfache Mehrheit im Nationalrat für eine Änderung des Gesetzes stimmen. Das ist derzeit eher unwahrscheinlich.

Die Grünen Andersrum, eine Teilorganisation der Grünen Partei für LGBTQ-Politik, hat auf Anfrage des KURIERs zwar bekanntgegeben, dass sie sich mit Fragen zum Selbstbestimmungsgesetz bei ihrer Bundesklausur im September beschäftigen wird. Zudem tausche man sich regelmäßig mit den Deutschen Grünen und der europäischen LGBTI-InterGroup über das Gesetz aus.

Der türkise Koalitionspartner würde laut ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner aber ein solches Selbstbestimmungsgesetz nicht unterstützen. Sachslehner bezeichnet das Gesetz als absurd und wissenschaftsfeindlich. Sie kritisiert, dass weder das Kindeswohl von Minderjährigen noch der Zustand der betroffenen Personen berücksichtigt werde.

Was das neue Gesetz in Deutschland betrifft, ist Psychotherapeutin und Obfrau der Beratungsstelle Transgender Team Austria Sarah-Michelle Fuchs skeptisch: "Ich kann mir gut vorstellen, dass vor dem Beschluss noch Änderungen gemacht werden, die das Verfahren wieder schwieriger machen." Die beiden Obfrauen halten die Sorgen, dass das Gesetz in Deutschland missbraucht werden könnte, für nicht berechtigt. Nach der Vereinfachung des Verfahrens sei der Aufwand einer Geschlechtsänderung schließlich immer noch sehr hoch.

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