Warum Scholz Rendi-Wagner nicht im Kanzleramt empfing

Kanzler Olaf Scholz empfing SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner im Willy-Brandt-Haus.
Im politischen System der Bundesrepublik ist vieles anders – auch, wie man mit Ressourcen der Ministerien umgeht.

Als Pamela Rendi-Wagner vergangene Woche den deutschen Bundeskanzler in Berlin traf, da empfing Olaf Scholz seine Parteifreundin nicht im Kanzleramt, sondern in der Wilhelmstraße 140.

An dieser Adresse steht das Willy-Brandt-Haus, die modernistische Parteizentrale der SPD. Und auch wenn die 3,5 Straßenkilometer zwischen Kanzleramt und SPD-Zentrale in gut zehn Minuten zu schaffen sind, ist es doch bemerkenswert, dass der viel beschäftigte Kanzler seine Besucherin nicht einfach im Kanzlerbüro, sondern im Haus der Partei getroffen hat. Der Ort lässt sich mit einem Wort erklären: Transparenz.

In Berlin wird ziemlich streng zwischen der Partei und dem Amt unterschieden. Und weil Scholz Rendi-Wagner "nur" als Chefin der Sozialdemokratie getroffen hat, war es selbstverständlich, dass der Termin nicht im Kanzlerbüro passieren kann.

Hier die Regierungs-, da die Parteifunktion? Ist das wirklich sinnvoll und lebbar?

In Österreich eher nicht: Von Parteien finanzierte Strategen und Berater gehen in den Ministerbüros ein und aus; Regierungsmitglieder fahren ganz selbstverständlich mit der Dienstlimousine zu Parteiveranstaltungen; und wenn Minister im Land unterwegs sind, so ist es alles andere als ungewöhnlich, wenn die gehaltenen Reden von Kabinettsmitarbeitern vorbereitet werden – und zwar auch dann, wenn es um Termine für die Partei oder den Wahlkampf geht.

Und die Deutschen? "Sie haben vor zwei Jahren eine Verschärfung des Abgeordnetengesetzes vorgenommen", sagt Mathias Huter, Korruptionsexperte und Sprecher des Forums Informationsfreiheit, zum KURIER.

Nachdem der deutsche Verfassungsgerichtshof kritisiert hatte, dass Abgeordnete ihre parlamentarischen Mitarbeiter für Wahlkämpfe heranziehen, hat sich der Bundestag strengere Regeln gegeben. "Jetzt gibt es Sanktionen, wenn Abgeordnete Mitarbeiter fürs Flyer-Verteilen einspannen. Mandat und Parteifunktion werden streng getrennt, das wäre auch in Österreich wichtig", sagt Huter. „Aber diesbezüglich gibt es keine Kultur.“

Laut dem Korruptionsexperten läge es im Interesse der Politik selbst, die Funktionen formal und räumlich klar zu trennen. Das eine Argument ist die "Waffengleichheit" im politischen Wettbewerb. Huter: "So lange Parteien im Wahlkampf Ressourcen aus Ministerien verwenden, haben sie einen materiellen Startvorteil."

Ein anderes Argument betrifft das Image und die Erklärungsnot. "Wenn die Grenzen zwischen Partei- und Regierungsarbeit verschwimmen und klare Regeln fehlen, schwächt das insgesamt das Vertrauen in das politische System – weil alle ständig ein wenig unter einem diffusen Korruptionsverdacht stehen."

Im neuen Parteiengesetz, das gerade in Begutachtung ist, wird diesbezüglich zwar keine Vorsorge getroffen. Aber im Präsidentschaftswahlkampf wird die Ämtertrennung Thema – oder besser: ist sie es. Denn nicht von ungefähr hat Amtsinhaber Alexander Van der Bellen die Interviews nach der Verlautbarung seiner Wiederkandidatur nicht in der Hofburg, sondern im Presseklub Concordia gegeben – also quasi an einem neutralen Ort.

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