Umstrittenes Merit-Order-Prinzip: SPÖ drängt auf Reform bei Strompreisgestaltung
Vielleicht erinnern Sie sich: Nach dem Ausbruch des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine stiegen zuerst der Gas- und dann auch der Strompreis massiv an.
Grund dafür war das sogenannte Merit-Order-System der EU: Das teuerste Kraftwerk, das zur Deckung der Nachfrage nötig ist, bestimmt den Börsenstrompreis. Und im Winter ist das häufig ein Gaskraftwerk.
Die Merit-Order hat gute Gründe. Sie soll Stromversorgung aus günstigen und erneuerbaren Quellen fördern, für einheitliche Marktpreise und dafür sorgen, dass immer genügend Strom produziert wird. Die Schwächen des Modells zeigten sich, als die Gaspreise explodierten.
SPÖ-Energiesprecher Alois Schroll
Brief an Brüssel
Eine Lösung dafür gibt es bis heute nicht. Zuletzt forderten die Spitzen von ÖVP, SPÖ und Neos in einem Brief an die EU-Kommission wieder einmal ein Ende des Systems. Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) relativierte das am Stefanitag dann etwas: Er wolle die Debatte nicht am Merit-Order-Prinzip festmachen, man könne auch über europäische Strompreiszonen diskutieren.
Und: Hattmannsdorfer will auch darüber sprechen, warum Strom aus Gas so teuer ist und wie der Preis gesenkt werden könnte. Eine Option wäre die Senkung der CO2-Bepreisung.
Die SPÖ beäugt das Vorgehen des Ministers in dieser Angelegenheit genau. Sie hatte als einzige Regierungspartei eine Reform der Merit-Order im Programm für die Nationalratswahl 2024. Ihr Standpunkt: Durch das „Günstiger-Strom-Gesetz“ gebe es zwar erste Erleichterungen, insbesondere im Bereich der Stromspeicher. Ohne Reform der Merit-Order werde das Problem aber nicht an der Wurzel gepackt.
Weitere Argumentation der Roten: In Österreich erzeugen Gaskraftwerke lediglich 12,5 Prozent der Strommenge. 2024 seien gar nur vier Prozent des Inlandsverbrauchs aus Gaskraftwerken gekommen. Gleichzeitig würden Gaskraftwerke in Österreich zu 60 Prozent den Preis an der Strombörse bestimmen – im EU-Vergleich überdurchschnittlich viel. Für 2030 zeigt eine Studie der EU-Kommission: „Obwohl Österreich immer mehr Erneuerbare ausbaut und Gaskraftwerke immer weniger produzieren, bleibt Gas zu rund 55 Prozent der Zeit preissetzend.“
Ansage an ÖVP-Minister
Was erwarten sich die Sozialdemokraten? „Die Endkundenpreise sollen sich an den Herstellungskosten orientieren. Ohne Reform der Merit-Order werden die niedrigen und stabilen Kosten der Erneuerbaren aber nicht bei den Kunden ankommen“, so SPÖ-Energiesprecher Alois Schroll zum KURIER. Es sei gut, dass die SPÖ-Initiative Früchte trage und die Regierung Druck auf die EU ausübe. Richtung Hattmannsdorfer meint Schroll: „Ich gehe davon aus, dass sich Energieminister Hattmannsdorfer in den EU-Gremien für eine Reform in Interesse Österreichs starkmachen wird.“
Der ÖVP-Minister will auch ein anderes Thema lösen: Derzeit muss Österreich 70 Prozent seiner Netzkapazitäten für den Stromtransit reservieren. Aus Hattmannsdorfers Sicht sollte man dafür besser entschädigt werden.
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