Der Abgeordnete und Mitbegründer der Neos über seinen ehemals pinken Weggefährten, die Sparpolitik, den Wunsch nach Reformen und das Dienstauto von Sepp Schellhorn.
Für seine Partei sieht Neos-Nationalratsabgeordneter Veit Dengler trotz der Regierungsbeteiligung noch sehr viel Luft nach oben. Und er kündigt noch sehr viele inhaltliche Reformen an.
KURIER:Herr Dengler, Sie sind Mitbegründer der Neos. Hat Ihre Partei mit der derzeitigen Regierungsbeteiligung ihr Ziel erreicht?
Veit Dengler: Ich würde sagen, dass es ein erstes Ziel ist. Worum es wirklich geht, ist, das Land zu sanieren und zu reformieren. Um das Land verändern zu können, braucht man eine gewisse Relevanz. Da ist bei den Neos, auch wenn wir kontinuierlich wachsen, noch viel Luft nach oben.
Blicken wir kurz in das Jahr 2012 zurück. Was war Ihr Hauptmotiv, um mit den Neos eine neue Partei ins Leben zu rufen?
Die Zeit war damals sehr stark von der Ära Faymann geprägt, von dem Gefühl, es ist ein Stillstand im Land. Es gab eine Selbstzufriedenheit der SPÖ und der ÖVP. Dazu eine FPÖ, die bereits stark war. Da haben wir gedacht, es braucht eine vernünftige Reformkraft der Mitte. Am Anfang war gar nicht sicher, ob man eine Partei macht oder nur so eine Art Pressure Group. Es war uns aber rasch klar, wenn man etwas ändern will in der Republik, dann muss man in den politischen Ring steigen.
Die Neos regieren jetzt mit den selben Parteien wie damals, ÖVP und SPÖ. Woran erkennt man in dieser Koalition die Handschrift der Neos?
Wir stehen ja erst am Anfang. Wir haben ein ambitioniertes Regierungsprogramm. Da wird noch viel kommen. Es ist auch noch nicht alles ausdiskutiert. Es werden große inhaltliche Reformen kommen. Die erste bei den Pensionen haben wir auch schon.
Die ist nicht so weit gegangen, wie es die Neos gerne gehabt hätten.
Nein, natürlich nicht. Das ist das Problem in einer Koalition. Es geht nicht darum, was wir wollen, sondern darum, was das Land braucht. Es braucht Reformen. Das war jetzt der erste Schritt und der war super, aber es wird noch mehr kommen. Was für uns auch wichtig ist, ist ein gewisser Stil in der Politik. Den merkt man schon bei dieser Regierung. Wir arbeiten konstruktiv zusammen und diskutieren offen. Übrigens auch mit den Oppositionsparteien.
Auch mit der FPÖ?
Die FPÖ hat für sich den Schluss gezogen, dass sie jetzt Fundamentalopposition machen will. Etwa mit den rund 800 Anfragen, die sie jetzt einbringen wollen. Der Stil der Diskussion im Parlament hat sich nicht geändert, wenn man die Konfrontation mit der FPÖ als Beispiel nimmt. Das stimmt. Aber ich kann nicht für die FPÖ sprechen. Was ich sagen kann, ist, dass sich das, was im Plenum vom Rednerpult aus gesagt wird, ganz anders anhört als in den – nicht öffentlichen – Ausschüssen. Es gibt durchaus Abgeordnete der FPÖ, mit denen man vernünftige Gespräche führen kann.
Sie sprechen von inhaltlichen Reformen. Das ist derzeit etwas schwer, wenn das Sparen an erster Stelle steht.
Das ist richtig. Das Wesentliche ist aber nicht, dass der Staat sparen muss, sondern wir müssen als Wirtschaft wieder wachsen. Das müssen wir ermöglichen. Wir sind jetzt im dritten Rezessionsjahr. In der vergangenen Regierungsperiode hat Österreich von allen EU-Ländern wirtschaftlich am schlechtesten abgeschnitten. Wenn die Wirtschaft wieder wächst, wachsen auch die Steuererträge. Dann kann man sich wieder etwas leisten. Kurzfristig haben wir das Problem, dass wir sparen müssen. Aber sparen allein wird nicht reichen, wir müssen das Land auch strukturell reformieren.
Neos-Mandatar Veit Dengler kam mit seiner Hündin zum Gespräch in das KURIER-Medienhaus.
Die Wirtschaft wächst, wenn investiert wird.
Aber das muss nicht der Staat machen. Wirklich relevant sind die Investitionen, die von der Privatwirtschaft kommen. Es gibt derzeit viel zu wenige ausländische Unternehmer, die sagen, wir wollen in Österreich investieren. Die Idee, dass sich der Staat aus der Krise rausinvestieren kann, funktioniert nur sehr, sehr begrenzt.
Inhaltliche Ansagen bedeuten auch, dass jetzt Strukturen nachhaltig geändert werden. Jetzt gehe ich davon aus, dass die Neos an der Wirtschafts- und Arbeiterkammer derzeit nicht viel ändern können. Obwohl diese Institutionen immer wieder kritisiert werden.
Nicht kurzfristig, weil wir dazu eine Zweidrittelmehrheit benötigen. Aber man kann es ja im Gespräch mit den anderen Parteien versuchen. Das ist halt ein gewachsener Staat. ÖVP und SPÖ haben sich über die vergangenen 80 Jahre einen Staat gebaut, der für sie gepasst hat, der auch für sie optimiert ist, aber nicht mehr für das Land passt. Die Kammern zum Beispiel sind während der Covid-Zeit reicher geworden. Das war die größte Krise der Republik. Da hätte man schon sagen können, jetzt müssen auch die Kammern mit all ihren Reserven sicherstellen, dass ihre Mitglieder entlastet werden. Stattdessen hat man alles dem Staat übergeben. Es gibt auch sehr viele vernünftige Funktionen bei den Kammern, etwa das Außenhandelsnetz. Die Frage bleibt, ob es dafür eine Pflichtmitgliedschaft benötigt. Die meisten Länder der Welt haben keine.
Eine andere Struktur, die die Neos immer kritisiert haben, ist der Föderalismus. Welche Veränderungen benötigt es da?
Das Prinzip ist ganz einfach. Es muss zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ganz klar sein, wer wofür verantwortlich ist. Wir haben das Problem, dass wir oft Verantwortungen aufteilen. Ein bisschen Bund, ein bisschen Land, ein bisschen Gemeinde. Und am Ende ist dann niemand wirklich verantwortlich. Das ist das fundamentale Problem unseres Föderalismus. Das zeigt sich dann auch beim Geldausgeben. Bei uns sind die, die das Geld ausgeben, nicht für das Einheben verantwortlich. Wir kennen das Problem ja von unseren Kindern. Wenn man ihnen einfach nur Geld gibt, ohne Verantwortung, werden sie es nicht unbedingt vernünftig ausgeben. Wenn sie anfangen, das Geld zu verdienen, das sie ausgeben, fangen sie an, darüber nachzudenken.
Zum ausführlichen KURIER TV-Interiew mit Veit Dengler
Eine Steuerautonomie für die Bundesländer wird schon sehr lange diskutiert, bisher ohne Ergebnis.
Mittelfristig wird es aber die einzige Lösung für unseren Föderalismus sein. Weil sonst ist man auf die Eigendisziplin der Politiker angewiesen und das ist, glaube ich, nicht die beste Methode, um einen Staat zu organisieren.
Neben den großen inhaltlichen Themen werden auch kleinere diskutiert. Etwa die Dienstwägen, dass Neos-Staatssekretär Sepp Schellhorn einen Audi A8 fährt. Wie beurteilen Sie diese Diskussionen?
Wir verbringen im politischen Tagesgeschäft oft viel Zeit damit, Sachen zu diskutieren, die eigentlich wenig fürs Land bringen, und zu wenig Zeit mit jenen Themen, wo wirklich Geld dranhängt. Aber natürlich ist Symbolik auch wichtig. Wenn ich das Geld anderer Leute ausgebe, und das tun wir in der Politik, dann muss ich sehr verantwortungsvoll damit umgehen. Deswegen verstehe ich schon auch, dass man darüber redet.
Also hätte Staatssekretär Schellhorn ein anderes Dienstauto nehmen sollen?
Das neue Auto ist billiger als das alte, das er übernommen hat. Ich hätte es vielleicht anders gemacht. Aber das Thema ist ein anderes: Der Sepp brennt für sein Thema der Deregulierung. Er ist so viel bei den Leuten, er ist so viel unterwegs, das ist super. Den Sepp werden wir am Ende der Legislaturperiode daran messen, was er bewegt hat.
Noch eine persönliche Frage: Sie haben damals die Neos mitgegründet, sind aber nicht in die Politik gegangen, sondern waren als Medienmanager in Ländern wie der Schweiz oder Deutschland tätig. Jetzt sind Sie zurück und vertreten die Neos als Abgeordneter im Parlament. Warum dieser Schritt in die Politik?
Es gibt eine dreifache Motivation. Erstens habe ich Neos mitgegründet, es ist also auch mein Baby. Ich bin zwar aus privaten Gründen, weil das alles sehr attraktive Jobangebote waren, weggegangen, es ist aber nie das Gefühl verloren gegangen, dass ich eine konstruktive Rolle spielen will, auch um die Republik zu verändern. Zweitens habe ich in meinem Leben sehr viel Glück gehabt. Ich habe zum Beispiel vom österreichischen Staat ein Stipendium erhalten, um in Amerika zu studieren. Wenn das so ist, dann hat man auch eine Verantwortung, für das Land etwas zu tun. Und drittens ist mir wichtig, dass in dem Land inhaltlich etwas vorangetrieben wird.
Die Neos haben Sie gemeinsam mit Matthias Strolz gegründet. Der hat der Partei den Rücken gekehrt. Wie sehr hat Sie das getroffen?
Matthias und ich sind nach wie vor in gutem Kontakt. Wir mögen uns auch sehr. Ich halte ihn für eine faszinierende Person. Ich war aber sehr enttäuscht, dass er fünf Tage vor der Nationalratswahl aus der Partei ausgetreten ist. Das war eine unnötige Aktion.
Es war auch ein etwas eigenartiges Zeichen knapp vor der Nationalratswahl.
Ja, es gab da Kränkungen in mehrere Richtungen. Aber es ist jetzt so, wie es ist. Trotz allem ist Matthias eine Bereicherung fürs Land. Er ist eine sehr talentierte Person und er ist auch sehr lustig. Ich hoffe, wir werden ihn in der einen oder anderen Form in Österreich, auch in der Politik, wiedersehen.
Veit Dengler (56). Als Medienmanager war der Steirer unter anderem an der Spitze der NZZ-Mediengruppe (Schweiz) und der Bauer Media Group (Deutschland). Seit 2024 ist er Neos-Abgeordneter im Parlament.
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