Türkis-grüner Spätstart in den EU-Wahlkampf

Am 9. Juni wählt Österreich ein neues EU-Parlament. Die Europawahlen werden nicht nur darüber entscheiden, ob die konservative EVP die größte Fraktion im Europaparlament bleibt. Sie gilt auch als wichtiger Stimmungstest für Nationalratswahl, die voraussichtlich am 29. September stattfindet.
Die spannendste Frage dürfte sein, ob die FPÖ – trotz ihrer oft EU-feindlichen Positionen – auf europäischer Ebene eine Wahl gewinnen kann. Und, ob sich der Abwärtstrend der Regierung in den Umfragen auch auf EU-Ebene bereits zeigt.
Fest steht: Vor allem bei den Koalitionspartnern läuft die Vorbereitung auf den Wahlkampf schleppend. Das Problem: Weder ÖVP noch Grüne konnten bisher einen passenden Spitzenkandidaten präsentieren. Wer seine Kür schon erledigt hat und wie es bei den Parteien jetzt weitergeht – ein Überblick:
ÖVP
Der bisherige Frontmann Othmar Karas, erster Vizepräsident des EU-Parlaments, hat sich mit seiner Partei zerstritten und bereits im Herbst angekündigt, nicht mehr anzutreten. Nun müssen sich die Türkisen um einen neuen Spitzenkandidaten umsehen. Die Entscheidung soll bis Mitte Jänner fallen. Derzeit deutet alles auf den steirischen Nationalratsabgeordneten Reinhold Lopatka hin.

Reinhold Lopatka
Er habe in den vergangenen Jahren sehr viel auf EU-Ebene gemacht, heißt es aus der Parteizentrale. Im engeren Kreis soll noch der Botschafter in Berlin und Kurzzeit-Außenminister Michael Linhart sein. Fix ist, dass es niemand aus dem derzeitigen EU-Team ist, auch wenn Angelika Winzig und Lukas Mandl Ambitionen für die Spitzenposition gehabt hätten.
SPÖ
Vergleichsweise rasch und unaufgeregt ging diesmal die Erstellung der SPÖ-Liste über die Bühne. Sie wurde bereits beim Bundesparteitag im November in Graz abgesegnet. Überraschungen finden sich darauf keine: Angeführt wird die Liste von SPÖ-Delegationsleiter Andreas Schieder.

Andreas Schieder
Dahinter folgen Evelyn Regner, EU-Abgeordnete und Vizepräsidentin des EU-Parlaments und der niederösterreichische EU-Parlamentarier Günther Sidl.
FPÖ
Dass Harald Vilimsky auch diesmal als Spitzenkandidat in den EU-Wahlkampf zieht, hat Parteichef Herbert Kickl schon im Herbst angekündigt.

Harald Vilimsky
Der Rest der Liste soll im Vorfeld des blauen Neujahrstreffens in Graz am 13. Jänner fixiert werden. Als Fixstarter dahinter gelten laut Parteikreisen die beiden bisherigen EU-Mandatare Georg Mayer und Roman Haider. Laut Umfragen könnten die Blauen aber auch ein bis zwei weitere Mandate ergattern. Zumindest einer der Listenplätze vier und fünf wird wohl an eine Frau gehen. Dem Vernehmen nach macht sich dafür besonders Nationalratsabgeordnete Petra Steger stark. Ihr droht nach internen Zerwürfnissen die Abwahl als Bezirksparteichefin in Wien-Meidling, womit sie kaum Chancen auf einen Wiedereinzug in den Nationalrat hätte.
Wahltag am 9. 6.
Die Europawahl, bei der die Mitglieder des Europäischen Parlaments bestimmt werden, findet alle fünf Jahre statt. Dieses Mal wird Anfang Juni gewählt, wobei der Wahltag in Österreich der 9. Juni ist
Zusammensetzung
Derzeit stellt Österreich 19 der insgesamt 705 EU-Abgeordneten (7 ÖVP, 5 SPÖ, 3 FPÖ, 3 Grüne, 1 Neos)
Wahl 2019
Die Wahl 2019 stand in Österreich unter dem Eindruck von Ibiza. Die ÖVP wurde mit 34,6 % (+7,6 %) erster, dahinter rangierten die SPÖ (23,9 %/ -0,2 %), die FPÖ (17,2 %/-2,5 %), die Grünen (14,1 %/-0,4 %) und die Neos (8,4 %/ +0,3 %)
Grüne
Bei ihnen läuft die Kandidatensuche wesentlich holpriger. Sie hätte schon am Bundeskongress abgeschlossen werden sollen, der ursprünglich für 16. Dezember geplant war. Kurzfristig musste die Tagung aber auf den 24. Februar verlegt werden. Dem Vernehmen nach, weil die Wunsch-Spitzenkandidatin Leonore Gewessler ihrer Partei einen Korb gegeben hatte. Noch ist unklar, wer nun die Grünen in die Wahl führen wird. Zuletzt wurde die Klimaschutz-Aktivistin Lena Schilling als Favoritin gehandelt.

Lena Schilling
Sie gibt sich bis dato aber bedeckt.
Neos
Für die offenen Vorwahlen der Neos hat sich eine Rekordzahl von 62 Personen beworben – darunter 15 für die Spitzenkandidatur. Wer den Vorwahlprozess der Neos mitgestalten will, kann sich dafür auf deren Website (vorwahl.neos.eu) registrieren, den Kandidaten Fragen stellen und ab 15. Jänner auch über die Reihung der Kandidaten abstimmen. Der mit Abstand bekannteste Name unter den Bewerbern für die Spitzenkandidatur ist Helmut Brandstätter, derzeit außenpolitischer Sprecher der Neos.

Helmut Brandstätter
Er gab im Dezember bekannt, bei den Vorwahlen anzutreten. Die finale Kandidatenliste wird am 27. Jänner bei einer Mitgliederversammlung in Vorarlberg präsentiert. Also in der Heimat von Claudia Gamon, die seit der EU-Wahl 2019 das einzige Mandat der Neos im EU-Parlament besetzte und nicht mehr antritt. Für den Platz hinter dem voraussichtlichen Spitzenkandidaten Brandstätter haben sich mehrere Personen beworben, die zumindest politischen Insidern ein Begriff sein dürften. Etwa Anna Stürgkh, bis 2022 Vorsitzende der Neos-Jugendorganisation Junos.
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