Türkis-grüner Krisenpakt: Absprung zu Blau ist eingebaut

REGIERUNGSKLAUSUR: KOGLER / KURZ
Arbeitstreffen im Kanzleramt zur Flüchtlingssituation. Wenn in der Flüchtlingsfrage Uneinigkeit herrscht, könnte sich Sebastian Kurz neue Mehrheiten im Parlament suchen.

„Ich bin optimistisch, dass kein Krisenfall eintreten wird.“ Fast auf den Tag genau vor zwei Monaten war das die Einschätzung bei der Präsentation des Koalitionspaktes von Sebastian Kurz in Bezug auf die Flüchtlingssituation.

Doch es kam anders. Eine neue Flüchtlingskrise ist nach der Öffnung der türkischen Grenze nicht mehr unrealistisch. Damit könnte die Koalition vor der ersten Bewährungsprobe stehen. Denn im Koalitionspakt wurde ein bemerkenswerter Passus eingefügt – den es so davor noch nie bei einer anderen Regierung gab – nämlich über einen koalitionsfreien Raum. Wann tritt dieser Krisenmechanismus in Kraft?

Wenn während einer Flüchtlingskrise einschneidende Maßnahmen gesetzt werden sollen, dann ist „bei Gesetzesinitiativen und Verordnungen das Einvernehmen im Rahmen des koalitionären Koordinierungsausschusses herzustellen“, heißt es im Pakt. Gibt es da keine Übereinstimmung, ist zunächst der Koalitionsausschuss zu befassen. Als nächste Dringlichkeitsmaßnahme ist ein Gespräch zwischen Kanzler und Vizekanzler geplant. Kommt auch dabei nichts heraus, sind die Abmachungen im Koalitionspakt in diesem speziellen Punkt Schall und Rauch.

Andere Mehrheiten

Die ÖVP ist dann nicht mehr an den Koalitionspartner gebunden, Kurz kann sich eine andere parlamentarische Mehrheit suchen – und das wird wohl die FPÖ sein. Die Grünen können mit diesem Mechanismus ihr Gesicht in der Flüchtlingsfrage wahren.

Doch ist die Lösung wirklich so leicht? „Dass es da zu einer Belastung für die Koalition kommt, ist selbstredend“, so die Einschätzung von Politik-Insider Thomas Hofer.

Erste Unterschiede im Zugang zur Problematik werden jetzt schon sichtbar: Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) fordert die Schaffung menschenwürdiger Bedingungen für die Migranten. „Wenn das nicht gelingt, sind wir dafür, Frauen und Kinder herauszuholen.“ Eine Position, die von der ÖVP sicher nicht unterstützt wird.

Der grüne Innsbrucker Gemeinderat Dejan Lukovic (er stimmte gegen den Koalitionspakt) kritisiert angesichts der Bilder aus Griechenland auf Twitter, dass nur etwas gegen das „sinnlose Sterben im Mittelmeer“ unternommen werden kann, wenn man nicht „Grenzen und Umwelt schützt“.

Die Koalitionsspitzen sind hingegen um Einigkeit bemüht: Am Dienstag gibt es ein Arbeitstreffen zwischen Kurz und Kogler sowie den drei zuständigen VP-Ministern.

Innenminister Karl Nehammer bekräftige in einem Interview auf Puls24, dass es im Koalitionsabkommen nicht vereinbart sei "zusätzlich Frauen oder Kinder nach Österreich zu holen".

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