Koalitionskrise: Hattmannsdorfer weist SPÖ-Kritik "entschieden" zurück

SOMMERMINISTERRAT: PRESSEFOYER - HATTMANNSDORFER
Die SPÖ kritisiert, dass sich das Wirtschaftsministerium auf EU-Ebene nicht an das Regierungsprogramm gehalten habe. Hattmannsdorfer widerspricht.

Die Bundesregierung will sich auf EU-Ebene für ein Verbot von territorialen Lieferbeschränkungen hierzulande als "Österreich-Aufschlag" bekannt starkmachen. Das hat Wirtschaftsminister Hattmannsdorfer (ÖVP) jetzt auch in einem Brief an die EU-Kommission unterstrichen. Diesen hatte das Ministerium Mittwochnachmittag dem KURIER übermittelt, nachdem eine KURIER-Anfrage zu Hattmannsdorfers Position beim "Österreich-Aufschlag" am 7. August noch unbeantwortet geblieben war.

Die ÖVP ist damit auf die Linie der SPÖ eingelenkt. Jüngst war der "Österreich-Aufschlag" im Rahmen der von Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) losgetretenen Diskussion über staatliche Eingriffe bei Lebensmittelpreisen ins Rampenlicht geraten.

Debatte über EU-Abstimmung

Für Diskussionen sorgen nun Medienberichte, wonach Österreich sich im Juni in einer EU-Arbeitsgruppe gegen ein Verbot ausgesprochen hat. Laut Standard und ORF mahnten österreichische Vertreter des Wirtschaftsministeriums in einer EU-Ratsgruppe am 16. Juni in Brüssel eher zu Zurückhaltung bei Regulierungsmaßnahmen in der Thematik. 

Aus österreichischer Sicht "gebe es aufgrund der Themenkomplexität und schwierigen Problemdefinition keine universelle Lösung", heißt es in einem der APA vorliegenden Ausschnitt eines Sitzungsprotokolls. Es stelle sich die Frage, wie ungerechtfertigte territoriale Lieferbeschränkungen definiert werden könnten - "daher seien neue Regulierungsmaßnahmen nicht zielführend", sollen die Beamten ihren europäischen Kollegen mitgeteilt haben.

Kucher gegen Hattmannsdorfer

SPÖ-Klubobmann Philip Kucher verweist in einer Aussendung darauf, dass der Einsatz gegen den "Österreich-Aufschlag" im Regierungsprogramm paktiert gewesen sein. "Leider haben Vertreter des Wirtschaftsministeriums in Brüssel offenbar das Gegenteil getan und sind massiv auf der Bremse gestanden", so Kucher. Und: "Ich gehe davon aus, dass Minister Hattmannsdorfer in seinem Ministerium für Klarheit sorgt: Was in Österreich versprochen wird, muss dann auch in Verhandlungen in Brüssel gelten."

Darauf reagiert nun wiederum Hattmannsdorfer in einer Stellungnahme und weist die Kritik Kuchers "entschieden" zurück: "Österreichs Position ist glasklar und war es immer: Der Österreich-Aufschlag ist inakzeptabel, und wir kämpfen auf EU-Ebene unverändert für sein Verbot. Ich verwehre mich dagegen, dass diese Position in Frage gestellt wird, weil Beamte in einer Arbeitsgruppe auf Fachebene verschiedene rechtliche Optionen prüfen und auf die Nutzung bestehender Instrumente wie Artikel 101 AEUV – Verbot wettbewerbswidriger Absprachen – und Artikel 102 AEUV – Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung, etwa durch Preisdiskriminierung oder Lieferverweigerung – verweisen."

Das sei normal und ändere nichts an Österreichs unmissverständlicher Position, so Hattmannsdorfer: "Unsere Bürgerinnen und Bürger dürfen nicht mehr zahlen müssen, nur weil sie in einem kleineren Land leben. Deshalb fordere ich von der EU-Kommission: Ein Gesetz gegen ungerechtfertigte territoriale Lieferbeschränkungen bis Ende 2025." Diese Position sei Teil des Regierungsprogramms und werde durch den Brief nun untermauert.

In Brief wird Verbot gefordert

Hattmannsdorfer und die Chefin der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), Natalie Harsdorf, drängen die EU-Kommission in besagtem Brief, noch heuer einen Gesetzesvorschlag vorlegen, um unberechtigte Beschränkungen zu verbieten. Das Schreiben ist auf den 9. August datiert und ging an EU-Kommissarin Teresa Ribera, in deren Zuständigkeit als Vize-Präsidentin und de facto Nummer zwei der EU-Kommission die Wettbewerbsagenden fallen.

Territoriale Lieferbeschränkungen (sogenannte Territorial Supply Constraints, kurz TSCs) sind von bestimmten großen Herstellern auferlegte Beschränkungen. Diese machen es Groß- und Einzelhändlern sehr schwer oder unmöglich, Produkte in einem Mitgliedsstaat zu kaufen und in einem anderen weiterzuverkaufen. Dies führt besonders in kleineren EU-Mitgliedstaaten im Supermarktregal zu Preisaufschlägen gegenüber größeren Nachbarstaaten wie Deutschland. Laut Zahlen der EU-Kommission entgehen europäischen Verbrauchern dadurch jährlich Ersparnisse von 14 Milliarden Euro.

Weitere Reaktionen

Die Medienberichte riefen am Donnerstag bereits Opposition und Gewerkschaften auf den Plan. Die stellvertretende Klubobfrau der Grünen, Sigrid Maurer, sprich von einer "Verhöhnung der österreichischen Bevölkerung". "Während die Regierung in Wien so tut, als würde sie arbeiten, macht sie in den EU-Gremien das Geschäft der Lobbyisten", moniert die Oppositionspolitikerin, die auch SPÖ und Neos in der Pflicht sieht, die Vorgänge aufzuklären.

"Will er die Preislawine stoppen oder nicht?", fragt ÖGB-Bundesgeschäftsführerin Helene Schuberth per Aussendung in Richtung Hattmannsdorfer. "Es braucht vollen Einsatz Österreichs im Kampf gegen Preisaufschläge", fordert auch die GPA-Vorsitzende Barbara Teiber.

Für den Neos-Wirtschaftssprecher Markus Hofer wäre es "unverständlich, wenn hier (beim Verbot von Lieferbeschränkungen; Anm.) gebremst wird", schreibt er in einem Statement. "Ein Argument, dass dies zusätzliche Bürokratie bedeutet, geht ins Leere. Ganz im Gegenteil ist unser Ziel mehr freien Wettbewerb zu ermöglichen." Hofer verweist auch auf das Regierungsprogramm, in dem der Einsatz auf EU-Ebene gegen territoriale Lieferbeschränkungen festgehalten ist.

Begrüßt wird die Ankündigung von Hattmannsdorfer bei der Arbeiterkammer (AK) und vom Handelsverband. "Es ist gut, dass die Diskussion in Österreich endlich in Bewegung kommt", so die AK-Wirtschaftsrechts-Expertin Susanne Wixforth. "Wir begrüßen, dass der Wirtschaftsminister als Teil der Bundesregierung den dringenden Handlungsbedarf erkannt hat und sich auf EU-Ebene für ein zeitnahes Verbot und damit ein klares Gesetz ausspricht", reagierte Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will.

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