SPÖ-Bundesgeschäftsführer Seltenheim: "Babler ist es gewohnt, sich durchzusetzen"

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Seltenheim: "Babler ist es gewohnt, sich durchzusetzen"
Klaus Seltenheim spricht über die plötzliche Ruhe in seiner Partei, die Koalitionsgespräche, die Oppositionsrolle der FPÖ und die Widerstandsfähigkeit seines Parteichefs.

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim bemüht sich um ein konstruktives Gesprächsklima mit den Koalitionspartnern.

Und steht zur Kritik seines Vizekanzlers Andreas Babler an den Sendern ATV und ORF.

KURIER: Herr Seltenheim, nachdem Andreas Babler als SPÖ-Chef in die Parteizentrale in der Löwelstraße eingezogen war, hat es immer wieder parteiinterne Turbulenzen gegeben. Affären wie jene von Georg Dornauer oder Klaus Luger, Kritik aus den Bundesländern. Seit die SPÖ in der Regierung ist, scheinen all diese Stimmen verstummt zu sein. Was hat sich geändert?

Klaus Seltenheim: Die SPÖ hat in Österreich zweimal die Demokratie miterkämpft und mitaufgebaut. Die SPÖ ist in ihrer DNA eine staatstragende Partei. Mit der neuen Regierung aus ÖVP, SPÖ und Neos wurde die längste Periode der SPÖ in der Opposition seit 1945 beendet. Die SPÖ zeichnet aus, dass wir in schwierigen Zeiten unsere Verantwortung wahrnehmen. Und wir haben so eine schwierige Zeit. Das ist nicht bei allen Parteien so. Die FPÖ mit dem feigsten Parteiobmann Österreichs hat sich aus der Verantwortung gestohlen.

Jetzt weiß man aber, dass nicht jede rote Landespartei mit der Dreier-Koalition zufrieden ist. Hans Peter Doskozil hat sich im Burgenland gegen eine Regierungsbeteiligung der SPÖ ausgesprochen. Ist das nur intern eine Debatte?

Die SPÖ ist sich ihrer staatspolitischen Verantwortung bewusst. Es geht darum, das Staatsinteresse vor das Parteiinteresse zu stellen. Wir hätten es natürlich so wie Herbert Kickl machen können: Das Ganze nicht ernst nehmen, nur eine halbe Stunde pro Tag Koalitionsverhandlungen zu führen und in Opposition zu gehen. Die SPÖ tickt aber nicht so.

Jetzt wurde diese Dreierkoalition aber zweimal verhandelt. Das erste Mal hatte man die Verhandlungen nach dem Jahreswechsel abgebrochen. Warum war ein zweiter Anlauf notwendig?

Ich möchte mich nicht lange in Vergangenheitsbewältigung üben. Die Österreicherinnen und Österreicher haben im September gewählt und sie haben das Recht auf eine funktionierende Regierung. Die Regierung steht und wir blicken nach vorne. Das Regierungsprogramm hat eine klare sozialdemokratische Handschrift. Und mit dem Mietpreisstopp, der seit 1. April gültig ist, und mit der Bankenabgabe haben wir bereits wichtige Punkte umgesetzt. Gemeinsam werden wir Österreich wieder auf Kurs bringen.

Wenn Sie schon die Bankenabgabe erwähnen: Die von der SPÖ gewünschten Erbschafts- und Vermögenssteuern sind aber in der Schublade gelandet.

Finanzminister Markus Marterbauer hat es völlig richtig gesagt: Die SPÖ-Position wäre, dass es klug wäre, Millionärssteuern einzuführen. Sie sind aber nicht Teil des Regierungsprogramms. Die SPÖ trägt keine Schuld am Budgetdesaster. Doch wir waren in den Regierungsverhandlungen kompromissbereit und sind weite Wege gegangen. Mit ÖVP und Neos haben wir einen ausgewogenen Mix an Maßnahmen vereinbart, so dass breite Schultern mehr beitragen.

Zum ausführlichen KURIER TV-Talk mit SPÖ-Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim

Ist die Diskussionsbereitschaft, die es auf Regierungsebene gibt, auch auf der Ebene der Parteiorganisationen zu finden? Normalerweise sind Generalsekretäre und Bundesgeschäftsführer dazu da, gegen die andere Partei auszuteilen.

Wenn eine Koalition funktionieren soll, braucht es auf persönlicher Ebene ein gutes Auskommen und gute Achsen. Die sind wichtig, wenn vielleicht einmal die eine oder andere Fraktion mehr Interessen durchsetzen will. Von meiner Seite kann ich nur bestätigen, dass ich mit meinem Gegenüber von ÖVP und Neos in kürzester Zeit ein sehr gutes und vertrauensvolles Gesprächsklima aufgebaut habe. Man hat gemerkt, dass es Handschlagqualität gibt.

Für unbedarfte Beobachter ist das alles meist sehr schwer nachzuvollziehen. Im Wahlkampf unterstellt man sich gegenseitig so einiges, nach dem ersten Verhandlungs-Aus sind SPÖ und Neos nicht gerade freundlich miteinander umgegangen, und jetzt plötzlich funktioniert es wieder?

Es ist ein Zeichen dafür, dass Politik von Menschen gemacht wird. Der leider bereits verstorbene Hannes Androsch hat immer gesagt, dass in der Politik eine Woche eine sehr lange Zeit sein kann. Wir haben seit der Wahl viele lange Wochen erlebt. Wer hätte am 2. Jänner geglaubt, dass Christian Stocker Bundeskanzler der Republik wird? Es ist ein gutes Zeichen, dass sich drei Parteien ihrer Verantwortung für Staat und Gesellschaft bewusst sind und jetzt ein gemeinsames Arbeitsprogramm konsequent und in aller Ruhe abarbeiten.

Mit der Regierungsbildung sind Sie Anfang März als Abgeordneter in den Nationalrat gekommen. Sie treffen dort auf die FPÖ als Oppositionspartei. Wie sehen Sie deren aktuelle Rolle?

Ich glaube, die FPÖ muss sich erst finden. Man muss trennen zwischen den Freiheitlichen und dem feigsten Parteiobmann Österreichs, Herbert Kickl. Die FPÖ sitzt in vielen Landesregierungen, da wurde Verantwortung übernommen. Herbert Kickl hingegen ist es eine Nummer zu groß geworden. Er hat deshalb nicht in die Regierung gewollt und somit seine eigene Partei sabotiert. Wenn man in der FPÖ auf die Zwischentöne hört, merkt man, dass dort nicht alle damit zufrieden sind, wie es gelaufen ist.

Sie sind Mediensprecher in der SPÖ-Fraktion, Ihr Parteiobmann hat als Vizekanzler die Medienagenden übernommen. In dieser Funktion hat er eine ATV-Sendung wegen frauenfeindlicher Inhalte und die teilweise hohen ORF-Gehälter kritisiert. Manche Kritiker sagen, dass ihm als Ressortverantwortlicher diese öffentliche Kritik nicht zugestanden wäre.

Andreas Babler hat eine sehr spannende, aber auch typische österreichische Biografie. Er hat es vom Arbeiterkind zum Vizekanzler geschafft. Er war nie jemand, der sich den Mund verbieten hat lassen oder sich ein Blatt vor den Mund genommen hat. Er hat seine klaren politischen Überzeugungen und ist Vater einer elfjährigen Tochter. Gerade bei dieser ATV-Geschichte finde ich es gut und richtig, wenn sich jemand mit einer hohen Funktion im Staat meldet und sagt, was er davon hält: nämlich nichts. Ich finde es gut, dass ein Medienminister Missstände klar anspricht. Babler kämpft dafür, dass Medien weiterhin unabhängig bleiben und dass der öffentliche Rundfunk abgesichert ist.

Und das Thema der hohen Gehälter im ORF?

Diese Debatte spielt natürlich in die gesamte Teuerungsdebatte hinein. So wie alle in Österreich ist auch der ORF angehalten, zu sparen. Das ist mit dem Einfrieren der ORF-Gebühren in den kommenden drei Jahren auf Regierungsebene auch so ausgemacht. Deshalb ist es verständlich, dass man sich dazu äußert, dass hier die Managementaufgaben als Unternehmen entsprechend wahrgenommen werden.

Sie haben die Geschichte von Ihrem Parteiobmann Andreas Babler erwähnt. Ein Teil davon ist, dass er als Bundesparteiobmann innerhalb der SPÖ immer wieder scharf attackiert worden ist und sich dennoch durchgesetzt hat. Was macht Andreas Babler aus, dass er das alles wegstecken hat können?

Da ist das eine oder andere medial ein bisschen zu hochgespielt worden. Was man Andreas Babler zugutehalten muss: Er hat die SPÖ in einer sehr schwierigen Phase übernommen und sie jetzt in die Regierung geführt. Aus seiner Aufstiegsgeschichte heraus verkörpert er die große Aufgabe der SPÖ, Chancengerechtigkeit wieder herzustellen. Andreas Babler ist standhaft. Er ist es gewohnt, sich gegen Widerstände durchsetzen zu müssen. Es schmeckt in der Politik vielleicht nicht allen, dass ein Hacklerkind in einem der höchsten Ämter der Regierung ist.

Zum Abschluss noch eine Frage: Wie geht es mit der SPÖ-Zentrale in der Wiener Löwelstraße weiter? Wird man – so wie die Wiener SPÖ – aus dem traditionsreichen Gebäude ausziehen?

Wenn alle Zahlen, Daten und Fakten auf dem Tisch sind, wird der Bundesparteivorstand eine Entscheidung treffen.

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