Zahl der Sozialhilfe-Empfänger in Österreich ist gestiegen
Zusammenfassung
- Die Zahl der Sozialhilfe-Empfänger stieg 2024 um 4,5 Prozent auf 205.781 Personen, vor allem wegen Arbeitsmarktproblemen und Inflation.
- Die Sozialhilfe-Ausgaben machen nur 0,27 Prozent des BIP aus.
- Sozialhilfe-Bezieher sind besonders von Wohnkosten, materieller Deprivation und gesundheitlichen Problemen betroffen, wobei Wien den größten Anteil verzeichnet.
Die Zahl der Sozialhilfe-Empfänger ist im Jahr 2024 leicht angestiegen. Laut der Sozialhilfestatistik der Statistik Austria gab es (nach Jahren rückläufiger Zahlen) im Jahresvergleich 4,5 Prozent mehr Bezieher. Hauptgrund ist der schwierige Arbeitsmarkt in Kombination mit hoher Inflation, erklärte Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ) bei einem Hintergrundgespräch in Wien. Im Jahresdurchschnitt erhielten 205.781 Personen die Unterstützung, das sind rund 8.800 mehr als 2023.
Gleichzeitig blieben die Daten aber unter den Höchstständen von 2017 bis 2020. Die Gesamtausgaben stiegen auf 1,317 Mrd. Euro. Allerdings sind rund 60 Prozent der Mehrausgaben auf die Valorisierung zurückzuführen. Dennoch ist der Anteil der Kosten am Gesamtbudget mit 0,27 Prozent des BIP eher gering (2023: 0,23 %).
Daher könne man über Kürzungen bei der Sozialhilfe auch nicht das Budget sanieren, gab Schumann auf Nachfrage zu verstehen. Es sei auch unmöglich, hier weiter einzusparen, da sonst Hunger, Wohnungsnot und völlige Verwahrlosung der Betroffenen drohen würden. "Die Sozialhilfe ist das letzte Sicherheitsnetz", betonte sie - die Geldleistung sichere das Lebensnotwendige, wenn Einkommen wegfallen.
Sozialhilfe "Spiegel" der Arbeitsmarktsituation
Schumann verwies darauf, dass die Situation auf dem Arbeitsmarkt weiterhin angespannt sei. Dies merke man auch an den Entwicklungen in der Sozialhilfe. Von den rund 8.800 zusätzlichen Beziehenden waren laut Ministeriumsangaben neun von zehn beim Arbeitsmarktservice (AMS) als arbeitssuchend registriert.
Auch betonte Schumann die besonderen Probleme der Betroffenen durch die Teuerung. Die Inflationsrate lag im Oktober 2025 bei 4 Prozent. Für die ärmsten zehn Prozent der Bevölkerung liege die Teuerung jedoch monatlich um 0,4 Prozentpunkte höher als für die wohlhabendsten zehn Prozent, verwies man im Sozialministerium auf Daten des Instituts für Höhere Studien (IHS). Grund dafür sei die Konsumstruktur: Geringverdienende müssen fast ihr gesamtes Einkommen für Wohnen, Energie und Lebensmittel aufwenden, diese stellen die Bereiche mit den höchsten Preissteigerungen dar.
Nur 43 Prozent sind erwerbsfähig
Von den Sozialhilfeempfängern sind nur 43 Prozent erwerbsfähig. Hiervon sind 35 Prozent arbeitslos gemeldet, acht Prozent befinden sich in Beschäftigung - und erhalten die Sozialhilfe als sogenannte "Aufstocker" (da ihr Einkommen zu gering ausfällt).
Die größte Gruppe der Bezieher sind Kinder - mit 37 Prozent. Nach den Arbeitssuchenden und den ohnehin Beschäftigten sind weitere acht Prozent nicht arbeitsfähig. Sieben Prozent sind in Pension (und dort "Aufstocker"), weitere fünf Prozent können wegen Fürsorgepflichten nicht am Erwerbsleben teilnehmen.
53 Prozent der Bezieherinnen und Bezieher stammen aus Drittstaaten, 38 Prozent sind österreichische Staatsbürger. 44 Prozent haben einen Asyl- oder subsidiären Schutzstatus. Die durchschnittliche Bezugsdauer lag bei 9,1 Monaten.
Regionale Unterschiede
Der Großteil - rund 70 Prozent - aller Sozialhilfe- und Mindestsicherungsbezieher lebt in Wien. In der Bundeshauptstadt gab es 2024 einen Anstieg um fünf Prozent, während Bundesländer wie Tirol (-0,2 Prozent) oder Vorarlberg (-1,8) leicht rückläufige Zahlen meldeten.
Zwar ist 2024 in Wien im Bundesländer-Vergleich die Beschäftigung am stärksten gewachsen - nur Dank der Bundeshauptstadt gab es insgesamt ein Beschäftigungs-Plus, hieß es aus dem Ministerium. Dass die Zahl der Mindestsicherungsbezieher dennoch wuchs, habe mehrere Gründe: Erstens konzentriere sich hier das Bevölkerungswachstum und die Bevölkerung in Wien sei "sehr jung", wodurch es auch einen starken Druck auf den Arbeitsmarkt gebe.
Auch würden die Sozialhilfeempfänger in den Städten einen besonders schlechten Gesundheitszustand aufweisen, gleichzeitig ziehe die gute Gesundheitsversorgung die Betroffenen in die Städte. Auch von der Zuwanderung - sowohl jene aus dem Ausland wie die Binnenwanderung - seien Städte besonders betroffen. Auch in der Steiermark leben 60 Prozent der Bezieher in Graz, in Salzburg ein ähnlich hoher Anteil in der Stadt Salzburg.
Die monatliche Leistungshöhe lag 2024 bei 505 Euro pro Person. Die Spannweite reichte von 431 Euro im Burgenland bis 522 Euro in Wien.
Sozialhilfebezieher: Probleme bei Wohnkosten
Laut der EU-SILC-Erhebung 2022-2024 sind Personen in Sozialhilfehaushalten drei- bis fünfmal häufiger von materieller Deprivation betroffen als der Durchschnitt. 33 Prozent können Miete oder Betriebskosten nicht pünktlich zahlen - bei Haushalten ohne Bezug sind das nur fünf Prozent. 30 Prozent können sich kein Auto leisten, 18 Prozent ihre Wohnung nicht angemessen warm halten, sieben Prozent verfügen über kein Internet.
In überbelegten Wohnungen leben 24 Prozent der Bezieher, 28 Prozent in Wohnungen mit Feuchtigkeit oder Schimmel. "Viele Sozialhilfehaushalte zahlen ähnlich hohe Wohnkosten wie andere - leben aber auf engerem Raum und oft in schlechterem Zustand", sagte dazu Schumann. Das durchschnittliche Jahreseinkommen von Haushalten mit Sozialhilfebezug lag laut Ministerium bei 19.800 Euro, gegenüber 31.300 Euro in Haushalten ohne Bezug.
Viele chronisch Kranke und Behinderte unter Beziehern
Auch gesundheitliche Einschränkungen führen zu finanziellen Schwierigkeiten: Mehr als die Hälfte (51 Prozent) der Menschen mit Sozialhilfebezug im Erwerbsalter sind chronisch krank. 22 Prozent der Bezieher bzw. Bezieherinnen im Erwerbsalter sind Menschen mit einer Behinderung, durch die sie stark beeinträchtigt sind.
"Sparen bei den Ärmsten kann sich eine verantwortungsvolle Politik nicht leisten und auch nicht wollen", betonte Schumann. Sie wisse, dass der Fokus sehr oft auf hohen Geldleistungen für Familien liegt - was "zurecht" für Ärger und Unverständnis sorge.
Man müsse aber diesen "Tunnelblick" ablegen: Die Sozialhilfe würden alleinstehende Pensionisten und Pensionistinnen, Alleinerziehende oder Menschen mit Behinderungen sowie sogenannte "Aufstocker" beziehen, deren Einkommen oder die Pension nicht reicht, um zu überleben. "Jene Menschen sind auf die Sozialhilfe angewiesen", betonte die Ressortchefin.
"Armut ist kein Randphänomen", sagte sie. Diese betreffe arbeitende Menschen genauso wie Pensionisten oder Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen.
Studie zu Familienleistungen
Bei der derzeit in Verhandlung stehenden Reform der Sozialhilfe stehe die Zielsetzung der Vereinheitlichung im Fokus, sagte Schumann einmal mehr. Zur Umsetzung des - derzeit noch unkonkreten - Vorhabens einer "Zukunftssicherung für Kinder" habe man eine Studie in Auftrag gegeben, die die derzeitige Struktur der Familienleistungen eruieren soll. Diese soll Mitte 2026 vorliegen, so Schumann.
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