Sobotka will von Rechtsstaatlichkeit "keinen Millimeter abweichen“
KURIER: Herr Sobotka, Sie haben heute die Präsidiale per Videositzung abgehalten. Wie gut hat das funktioniert?
Wolfgang Sobotka: Sehr gut. Es war aber nur ein Testlauf für die Präsidiale am Donnerstag.
Kann Video auf Dauer eine echte Präsidiale ersetzen?
Das ist nur in besonderen Zeiten notwendig. Am Donnerstag werden fast alle Mitglieder der Präsidiale anwesend sein. Die, die es nicht können, werden zugeschaltet.
Nationalratssitzungen per Video sind ja nicht erlaubt. Wir haben aber bereits einen infizierten Abgeordneten, weitere werden folgen. Wie bleibt der Nationalrat handlungsfähig?
Der Nationalrat bleibt immer handlungsfähig. Wir werden die notwendigen Mehrheiten immer erreichen. Wir brauchen die Hälfte der Abgeordneten, um ein Verfassungsgesetz zu beschließen und ein Drittel für ein einfaches Gesetz. Wenn alle Stricke reißen, gibt es das Notverordnungsrecht des Bundespräsidenten. Aber auch da tritt der ständige Unterausschuss zusammen. Das Parlament ist immer eingebunden.
In Deutschland soll es künftig reichen, wenn 25 Prozent der Abgeordneten anwesend sind. Ein Vorbild für Österreich?
Nein, weil das bei uns nicht in der Verfassung steht. Unsere Landsleute sollen sich darauf verlassen können, dass in dieser Zeit nicht das Recht anders interpretiert wird.
Wie sieht es mit den Ausschüssen aus, in denen die Gesetze vorbereitet werden. Können die weiter stattfinden?
Die Ausschüsse finden weiter statt, wir haben sie nur im März nicht verhandeln lassen, weil die inhaltliche Arbeit aus den Ministerien reduziert war. Sie werden nach Ostern wieder stattfinden. Sie müssen nur in größeren Räumen stattfinden.
Hören Sie das gesamte Interview mit Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka im KURIER Daily Podcast:
Es gibt die Möglichkeit, den Notstand auszurufen, um der Regierung mehr Befugnisse zu geben, wie das auch andere Staaten getan haben. Ist das angedacht?
Es gibt überhaupt keinen Grund, an eine Notstandsausrufung zu denken. Wir sind bestens gerüstet. Die gesetzlichen Notwendigkeiten für die Krise sind geschaffen.
Nimmt durch die Corona-Krise die Demokratie Schaden? Immerhin wurden schon einige Wahlen verschoben.
Wenn ich Wahlen verschiebe, leidet die Demokratie keinen Schaden. Dass Wahlen verschoben werden, wird jeder verstehen. Diese Maßnahmen haben ein Ablaufdatum.
Wie lange kann die Politik den Menschen die persönliche Bewegungsfreiheit nehmen?
Ich glaube, dass die Menschen sehr verständig sind. Nur wenn wir die Sozialkontakte auf das Minimum reduzieren, dann sind wir noch sehr lange in der Lage, diese Strukturen aufrecht zu erhalten. Bilder wie in Italien und Spanien will in Österreich niemand.
In Ungarn soll ein Gesetz beschlossen werden, das Ministerpräsident Orbán erlaubt, für unbegrenzte Zeit mit Notverordnungen zu regieren. Ist Ungarn am Weg in eine Diktatur?
Wir gehen in Österreich einen Weg, wo wir die Opposition und die Sozialpartner mit einbeziehen. Wir sind sehr darauf bedacht, dass man sich in der Krise darauf verlassen kann, dass die Rechtsstaatlichkeit gilt. Da weichen wir keinen Millimeter ab. Was andere Länder verfassungsmäßig machen, ist ihre Angelegenheit und die der EU.
Aber die EU kann bei Ungarn nicht auf Dauer schweigen.
Das ist richtig. Dass die europäischen Verträge und das, was man seinerzeit beim Beitritt bekundet hat, nicht ausgehebelt werden können, versteht sich von selbst.
Österreich verwendet anonymisierte Handydaten, um zu messen, ob sich Menschen geballt aufhalten. Israel nutzt personenbezogene Handy-Daten, um die Bewegungsprofile der Menschen nachzuvollziehen. Ist Ähnliches auch bei uns angedacht?
Das ist datenschutzrechtlich nicht möglich. Wir müssen – anders als Israel – EU-Regeln einhalten.
Auch nicht zeitlich beschränkt auf einige Monate? Das gibt das Gesetz nicht her.
Das Rote Kreuz hat eine App vorgestellt, wo man sich freiwillig und anonymisiert meldet, mit wem man Kontakt hatte. Eine gute Idee?
Alles, was Personen freiwillig tun, ist zu unterstützen. Es kann aber sicher keine zentrale Steuerung dafür geben.
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